Full text: Psychologie der Massen.

62 Zweites Buch. 
amter, Adolphe Guillot, berichtet, daß man jetzt 3000 gebildete 
gegenüber 1000 ungebildeten Verbrechern zählt und daß inner- 
halb 50 Jahren das Verbrechertum von 227 auf 522 pro 100000 
Einwohner gestiegen ist, was einen Zuwachs von 133 Prozent 
bedeutet. In Übereinstimmung mit seinen Kollegen hat er 
verzeichnet, daß die Kriminalität besonders bei den jungen 
Leuten zunimmt, bei denen, wie man weiß, die unentgelt- 
‚liche und obligatorische Schule an die Stelle des Lehrherrn 
getreten ist. 
Nicht als ob — was ja niemand behauptet hat — der gut 
geleitete. Unterricht nicht sehr nützlich wirken könnte, wenn 
schon nicht in sittlicher Hinsicht, so doch wenigstens zur Ent- 
faltung der beruflichen Fähigkeiten. Leider haben, besonders 
seit 25 Jahren, die lateinischen Völker ihre Unterrichtssysteme 
auf ganz falschen Prinzipien aufgebaut und verbleiben trotz 
der Bemerkungen der vortrefflichsten Köpfe in ihren beklagens- 
werten Irrtümern. Ich selbst habe in verschiedenen Schriften!) 
gezeigt, dab unsere gegenwärtige Erziehung die Mehrzahl der- 
jenigen, denen sie zuteil geworden, in Feinde der Gesellschaft 
verwandelt und daß sich aus ihnen eine zahlreiche Gefolgschaft 
der schlimmsten Arten des Sozialismus rekrutiert. 
Die erste Gefahr dieser, treffend als ‚„lateinisch‘‘ charak- 
terisierten Erziehung besteht darin, daß sie auf den psycho- 
logischen Grundirrtum beruht, die Intelligenz entwickle sich 
durch Auswendiglernen von Lehrbüchern. Ferner hat man 
versucht, soviel als möglich zu lehren, und von der Volks- 
schule bis zum Doktorat oder zur Staatsprüfung lernen die 
jungen Leute nur aus Büchern auswendig, ohne Ausbildung 
des Urteils und der Initiative. Der Unterricht bedeutet für sie 
Aufsagen und Gehorchen. „Lektionen lernen, eine Grammatik 
oder einen Abriß auswendig wissen, gut wiederholen, gut 
nachahmen,‘“ schreibt ein ehemaliger Unterrichtsminister, Jules 
Simon, „das ist eine seltsame Erziehung, bei der jede An- 
  
!) Vgl. Psychologie du socialisme3; Psychologie de l&ducation.
	        
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