Full text: Psychologie der Massen.

70 Zweites Buch. 
fühle, Ideen und Gedankengänge der Gesamtheiten. Aus dieser 
Erkenntnis ließen sich offenbar die Mittel der Beeinflussung 
der Massenseele in allgemeiner Weise gewinnen. Wir wissen 
bereits, was auf die Einbildungskraft der Massen Eindruck 
macht, kennen die Macht und Ansteckungskraft der Sugge- 
stionen, besonders jener, die in bildhafter Form auftreten. 
Da aber die Suggestionen sehr verschiedenen Ursprung haben 
können, so können auch die Faktoren, die auf die Massen- 
seele zu wirken vermögen, recht verschieden sein; man muß 
sie daher gesondert betrachten. Und das ist kein nutzloses 
Studium. Die Massen gleichen ein wenig der Sphinx der alten 
Fabel: man muß das Problem, welches ihre Psychologie uns 
bietet, lösen oder darauf gefaßt sein, von ihnen verzehrt zu 
werden. 
$ 1. Bilder, Worte und Formeln. 
Bei dem Studium der Massenphantasie fanden wir, sie 
werde namentlich durch Bilder erregt. Nicht immer stehen 
einem diese Bilder zur Verfügung, aber man kann sie durch 
sinnreiche Anwendung von Worten und Formeln hervorrufen. 
Kunstvoll gehandhabt, besitzen sie wirklich die geheimnisvolle 
Macht, die ihnen einst die Adepten der Magie zuschrieben. 
Sie rufen in der Massenseele die furchtbarsten Stürme hervor 
und Können sie auch besänftigen. Mit den Knochen von Men- 
schen, die das Opfer der Macht der Worte und Formeln waren, 
könnte man eine viel höhere Pyramide als die des Cheops 
aufbauen. 
Die Macht der Worte knüpft sich an die durch sie hervor- 
gerufenen Bilder und ist völlig unabhängig von ihrer wahren 
Bedeutung. Oft sind jene Worte, deren Sinn ganz unbestimmt 
ist, die wirkungsvollsten. So z.B. die Ausdrücke Demokratie, 
"Sozialismus, Gleichheit, Freiheit u. a., deren Sinn so vag ist, 
daB dicke Bände nicht ausreichen, ihn zu bestimmen. Und 
doch ist es sicher, daß sich eine wahrhaft magische Macht 
an ihre kurzen Silben heftet, wie wenn sie die Lösung aller
	        
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