74 Zweites Buch.
andere zu ersetzen, deren Neuheit dies verhinderte. Die „Taille‘‘
wurde zur Grundsteuer, die „Gabelle‘‘ zur Salzsteuer, die Ver-
brauchssteuer zu indirekten Steuern und Gefällen, die Meister-
und Zunfttaxe zur Gewerbesteuer, usw.
Eine der wichtigsten Funktionen der Staatsmänner besteht
demnach in der Umtaufung der Dinge, welche die Massen mit
ihren alten Ausdrücken nicht ertragen können, mit populären
oder wenigstens neutralen Namen. So groß ist die Macht
der Worte, daß man die verhaßtesten Dinge nur mit gut-
sewählten Namen zu versehen braucht, um sie den Massen an-
nehmbar zu machen. Taine bemerkt richtig, daß die Jakobiner
durch Anrufung der Namen der Freiheit und Brüderlichkeit,
die damals sehr populär waren, „einen des Königreichs
Dahomey würdigen Despotismus, ein der Inquisition gleiches
Tribunal, Menschenhekatomben gleich denen des alten Mexiko
bewirken konnten.‘ Wie die advokatorische, so besteht auch
die Regierungskunst besonders darin, daß man die Worte zu
meistern versteht. Eine große Schwierigkeit in dieser Kunst
ist die, daß dieselben Wörter in derselben Gesellschaft sehr
oft für die verschiedenen sozialen Schichten ganz verschiedene
Bedeutung haben. Sie gebrauchen scheinbar dieselben Wörter,
sprechen aber niemals dieselbe Sprache.
Wir haben in den voranstehenden Beispielen als Haupt-
faktor des Bedeutungswandels der Wörter besonders die Zeit
dargetan. Ber Heranziehung auch der Rasse würden wir aber
sehen, daß zur selben Zeit bei gleichzivilisierten Völkern ver-
schiedener Rasse dieselben Wörter häufig ganz verschiedenen
Vorstellungen entsprechen. Man kann diese Unterschiede nicht
ohne zahlreiche Reisen verstehen, und ich will daher nicht bei
ihnen verweilen. Ich beschränke mich auf die Bemerkung, daß
gerade die von den Massen am meisten gebrauchten Wörter
bei den verschiedenen Völkern die verschiedenste Bedeutung
haben. So z. B. die Ausdrücke „Demokratie‘‘ und „Sozialis-
mus“, die heute so im Schwange sind.
Sie entsprechen in der Tat ganz anderen Vorstellungen