. Kapitel. Die Aufgaben der öffentl. Gewalt gegenüber dem Verkehrswesen. 95
schwerfälliger Körper und haben oft genug ähnliche Mängel gezeigt.
Man bält aber die Gefahr vielfach für größer, wenn das großbe Verkehrs-
wesen in der Hand der öffentlichen Gewalt liegt. Beim Staatsbetriebe
sind derartige Befürchtungen wegen der Notwendigkeit eines abgestuften
Beamtenkörpers und der Eingliederung in den gesamten Behördenaufbau
des Staates besonders lebhaft zutage getreten. Bei kleineren Verwaltungs-
körpern hält man wegen der regeren Wechselwirkung zwischen der Be-
välkerung und den leitenden Kreisen die Gefahr nicht für so groß, wenn-
gleich sie auch hier nicht ganz in Abrede gestellt wird.
Ob und wie weit derartige Dinge beim öffentlichen Verkehrsbetrieb
eintreten, hängt von besonderen Verhältnissen ab. Die Art des Aufbaues
der öffentlichen Verwaltung des Verkehrswesens spielt hierbei eine
wichtige Rolle. Je länger der Weg von den Unterbehörden bis zu der
obersten Stelle ist, je mehr auch in Dingen von geringerer Bedeutung
den Unterbehörden die Selbständigkeit genommen ist, je verwickelter und
je ungeschickter die an sich ja unentbehrliche Uberwachung des Rech-
nungswesens geregelt ist, desto mehr wird auch engherziger und starrer
Geist im Verkehrswesen emporwuchern. Dazu kommt die Art und Weise
der Vorbildung der Beamten, besonders der leitenden. Wird diese über-
wiegend in rein formalen Bahnen gebalten, ohne ausreichende Fühlung
mit den Verhältnissen und Bedürfnissen des Wirtschaftslebens, so wird
sich auch übermäßiges Schreibwerk und Buchstabendienst breit machen,
und den technisch geschulten Kräften wird alsdann die gebübrende
Stellung vorenthalten und dadurch in die Herzen strebsamer Männer ein
Keim der Verbitterung gesenkt werden, der die Freude an der Arbeit
und am Beruf ertötet. Schon darunter wird der Fortschritt in der Ent-
wickelung leiden. Uberdies wird dann der ganze Beamtenkörper in
Anweisungen und Vorschriften eingeschnürt. die nicht überschritten werden
dürfen. Die Beamten werden dadurch ängstlicher, entwöhnen sich, in
besonderen Fällen das durch die Umstände Gebotene auch ohne ent-
sprechende Anweisungen zu tun. Da diese doch niemals alle Vorkomm-
nisse des Lebens im voraus erkennen und berücksichtigen können, so
tritt bei außergewöhnlichen Vorkommnissen, die ein rasch entschlossenes
Eingreifen erfordern, leicht Kopflosigkeit ein; anstatt zu handeln, erbittet
und erwartet man die Anweisung der vorgesetzten Behörde, die ihrer-
seits womöglich erst noch höheren Ortes anzufragen für nötig hält.
Dergleichen Dinge würden im höchsten Mahbe schädlich sein. Gewilh
läht sich der große Verkehrsbetrieb nicht ohne strenge Regelung, ohne
Bindung an feste Formen und Vorschriften leiten; aber es ist doch nötig
und auch möglich, die richtigen Kräfte an die richtigen Stellen zu
sctzen und die Anweisungen und Vorschriften auf das notwendige zu
beschränken, damit niemand verlernt, sich in besonderen Fällen ent-
schlossen den richtigen Weg selbst zu suchen. Die Selbständigkeit des