Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

4. Kapitel. Die Aufgaben der öffentl. Gewalt gegenüber dem Verkehrswesen. 97 
arteten Voraussetzungen könnte man ein solches Vorgehen als zulässig, 
wenn auch nicht als erwünscht anschen. 
1. Die FMnanzielle Behandlung des Verkehrsivesens durenh die 
üffentliche Geivalt. Das Ergebnis der vorangegangenen Ausführungen 
legt eine Betrachtung darüber nahe, nach welchen Grundsätzen die 
finanzielle Behandlung des Verkehrswesens durch die öffentliche Gewalt 
erfolgen soll. Die Frage ist von hervorragender Bedeutung, weil von 
ihr die volkswizschaftlichen Wirkungen des öffentlichen Verkehrsbetriebs 
zum groben Teil abhängen. Ihre Beantwortung mulh zugleich auch 
auf die später zu besprechende Preisbildung im Verkehrswesen zu- 
rückwirken. 
Die Frage, nach welchem Grundsatze sich die finanzielle Behandlung 
des Verkehrswesens zu gestalten hat, kann für die Erwerbsgesellschaften 
als Verkehrsunternehmer keinen Augenblick zweifelbaft sein. Jede Er- 
werbsgesellschaft erstrebt einen möglichst hohen Reinertrag. Dies Streben 
bestebt auch bei weitgehenden Eingriffen der öffentlichen Gewalt in die 
Verhältnisse der Gesellschaften; es wird hier nur verhindert, sich volle 
Geltung zu verschaffen. Zu unterdrücken ist es bei einer Erwerbsge- 
sellschaft überhaupt nicht. Damit soll nicht gesagt sein, daß die Er- 
werbsgesellschaft nicht auch zeitweilig zu verlustbringenden Preisen 
arbeiten muß. Das kann bei jeder Erwerbsunternebmung vorkommen, 
wie 2z. B. die Geschichte der Aktiengesellschaften in den 70 er Jahren 
des 19. Jahrhunderts beweist. Es wird sich aber dabei stets um einen 
Ubergangszustand handeln, der durch den Druck der Verhältnisse auf- 
genötigt ist. Dauert er zu lange, so muß die Erwerbsgesellschaft schließ- 
lich ihre Tätigkeit einstellen. 
Bei den-Erwerbsgesellschaften auf dem Gebiete des Verkehrswesens 
liegt die Sache in Wahrheit nicht anders. Auch diese halten daran 
fest, dab sie einen möglichst günstigen Reinertrag erzielen müssen. 
Vorübergehend nehmen sie zwar auch Verluste auf sich, aber das ist 
nichts, was ihnen ausschließlich eigen ist. Auf die Dauer können sie 
einen solchen Zustand nicht ertragen. Wenn sie ihn länger als andere 
aushalten sollten, weil die Ertragsgewähr der öffentlichen Gewalt ihnen 
den Ausfall ersetzt, so zeigt sich gerade darin, daß sie ohne das 
Eingreifen der öffentlichen Gewalt nicht dauernd zu verlustbringenden 
Sätzen arbeiten können und wollen. 
Für die nicht öffentlichen Verkehrsgesellschaften liegt hiernach die 
Sache grundsätzlich klar. Andere Grundsätze der finanziellen Be- 
handlung treten hier nicht ein, es sei denn dabß eine Gesellschaft lediglich 
aus öffentlichen Rücksichten ohne jede Gewinnabsicht errichtet wird. 
Das ist aber auf dem Gebiete des Verkehrswesens ein so seltener Aus- 
nahmefall, dab er hier auber Betracht bleiben kann. Wieweit die 
öffentliche Gewalt den natürlichen und berechtigten Erwerbsdrang der 
vAM DER BORGHT, Vorkohra weson. 2. Aufl. 7
	        
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