5. Kapitel. Die Preisbildung im Verkehrswesen. 105
Zahlungskraft zieht im allgemeinen die Grenze nach oben, und wenn
verschiedene Nutzensbewertungen vorliegen, so wird sich in der Regel
der durchschnittliche Frachtsatz dem höchsten Satze gleichzustellen
Suchen, den unter den verschiedenen Versendern einer noch zahlen will
oder kann. Vollständig würde das aber nur gelingen, wenn dieser
Versender die Gesamtmenge der anzubietenden Verkehrsleistungen selbst
in Anspruch zu nehmen imstande wäre. Je weniger er das vermag,
desto mehr kann sich der wirkliche Durchschnittssatz der Fracht von
dieser an sich erreichbaren höchsten Stufe entfernen. In Wabrheit liegt
die Sache so, daß der Einfluß des bezeichneten Versenders im all-
gemeinen sehr gering ist, und dal sich deshalb überhaupt diese Ober-
grenze tatsächlich nur wenig fühlbar macht. Das Streben der Versender,
die Frachtausgaben gering zu halten, ist überdies sehr stark. Dazu
kommt aber noch, daß den Versendern im Binnenlande außber Wasser-
und Landstraßben noch die Eisenbahnen — in der Regel wenigstens —
zur Verfügung stehen. Handelt es sich nicht um einen Beförderungs-
gegenstand, der unbedingt auf dem Wasserwege oder der Landstrabe
befördert werden muß, so mub ein Punkt eintreten, von dem an der
Versender angesichts des Verhältnisses der Wasser-, Land- und Eisen-
bahnfracht die Vorteile der Eisenbahnbeförderung höher schätzen wird,
als die der Land- und Wasserbeförderung. Dadurch kann er zu hohen
Preisforderungen ausweichen.
Die Verkehrsunternehmer können auf die Dauer nicht unter einen
Satz heruntergehen, der ihnen noch den Ersatz ihrer Selbstkosten und
der Zuschläge für die Verlustgefahr und einen für ihr wirtschaftliches
Dasein notwendigen Gewinn ermöglicht. Haben sie verschiedene Selbst-
kosten, so wird es auf die Dauer den Versendern nicht erspart bleiben,
den Satz zu zahlen, den der unter den ungünstigsten Bedingungen arbei-
tende, aber zur Bewältigung des Verkehrs noch notwendige Verkehrs-
unternehmer hiernach verlangen muß. Aber auch bier kommt das
Nebeneinander der verschiedenen Verkehrswege in Betracht, das dem
Versender schlieblich ein Ausweichen in das Gebiet der Eisenbahn-
beförderung ermöglicht.
Für die tatsächliche Gestaltung der Frachtpreise auf Land- und
Wasserstralßen ist nun freilich mit solchen, der allgemeinen Preislehre
sich anpassenden Erwägungen keine sichere Richtschnur gegeben. Es
ist auch hier schlieblich eine „Machtfrage“, ob die Versender oder die
Verkehrsunternehmer den Frachtpreis mehr ihren Bedürfnissen anzupassen
imstande sind. Die wirtschaftliche Uberlegenheit kann in den ver-
schiedenen Zeiten und Bezirken sehr verschieden verteilt sein.
Für den Versender wirkt es ungünstig, daß das Verkehrsbedürfnis
im allgemeinen dringend ist; seine Stellung wird aber wieder verbessert
dadurch, daß schlieblich in sehr vielen Fällen auch die Eisenbahn-