5. Kapitel. Die Preisbildung im Verkehrswesen. 141
gleiche Leistungen liegt, da kann die Vereinheitlichung bis auf den
höchsten Punkt getrieben werden, wenn nicht andere, z. B. finanzielle
Erwägungen davon abhalten.
In Wahrheit werden nun die verschiedenen Teile des Verkehrs-
wesens von der Bevölkerung in dieser Beziehung nicht ganz gleich be-
urteilt. Daß zwei Briefe von gleicher Schwere den gleichen Satz zahlen
müssen, mögen sie auf 1 km oder auf 1000 km bekfördert werden, daran
nimmt niemand Anstoß. Dabß aber ein Reisender, der 1 km fährt, eben-
soviel bezahlen sollte, wie ein anderer der 1000 km fährt, das würde
der Bevölkerung zur Zeit — wenige Ausnahmen abgerechnet — noch
nicht einleuchten.
Die Beurteilung wechselt im Lauf der Zeit; aber so lange sie noch
ungleich ist, kann man sie nicht als auf Einbildung oder Unkenntnis
beruhend binstellen. Vielmehr müssen die Vorraussetzungen für die Ver-
einheitlichung der Beförderungspreise in den einzelnen Gebieten des
Verkehrswesens tatsächlich verschieden sein. Das ist denn auch der
Fall.
Die Vereinheitlichung besteht in der Uberwindung der Besonder-
heiten. Je stärker diese Besonderheiten ausgeprägt sind, desto schwieriger
wird ihre Uberwindung, desto geringer ist die Möglichkeit vollkommener
Vereinheitlichung. Die Besonderheiten, die bei den Verkehrsleistungen
zutage treten, wirken also wie Hindernisse der Vereinheitlichung. Wären
die Umstände, die den einzelnen Verkehrsleistungen ihre Eigenart auf-
prägen, in allen Verkehrsgebieten in gleicher Mischung vorhanden, so
würde die Vereinheitlichung sich auch allenthalben im gleichen Mabße
vollzichen. In Wirklichkeit aber treten diese Umstände in sehr ver-
schiedener Mischung auf, so dab die Vereinheitlichung nur in abweichen-
der Weise auf den einzelnen Gebieten zur Geltung gelangen kann. Bei
der einen Gruppe macht sich der Gewichtsunterschied, bei der anderen
der Entfernungsunterschied, bei der dritten der Artunterschied der Be-
förderungsgegenstände stärker bemerkbar, und die vollständige Auber---
achtlassung des betreffenden besonders in die Augen fallenden Unterschieds
würde als eine Ungerechtigkeit erscheinen. Daher geht auch die Ver-
einbeitlichung in den einzelnen Verkehrsgruppen in verschiedener Weise
vor sich. Im Personenverkehre z. B. wird der Gewichtsunterschied ganz
unbeachtet gelassen, wenn man nicht etwa die billigere Beförderung der
Kinder darauf zurückfübren will, was doch recht gezwungen sein würde.
Bei Erwachsenen wird jedenfalls ganz davon abgesehen, daß der eine
Reisende 60, der andere 75, der dritte 100 kg wiegt usw. Diese Gewichts-
unterschiede sind nicht groß genug, um sich bei der Beförderung in
merklichem Grade geltend zu machen. lhre Ermittelung würde die
Reisenden sehr belästigen und der Verkehrsanstalt sehr viel kosten, ohne
daß die etwa zu erhebenden Mehrbeträge diese Kosten decken würden.