2. Kapitel. Entwickelungsgang. 167
blick über die Umgebung zu haben. Das entsprach ganz den Rück-
sichten der Heeresführung, die man bei dem Strabenbau verfolgte.
Nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten bauten die Römer ihre
Strabßen nicht, und Straben, die von vornberein als Handelsstraben ge-
dacht waren, dürften nur selten von ihnen angelegt worden sein. Die Inne-
baltung der geraden Richtung bedingte oft recht schwierige Arbeiten,
wie Dberbrückung von Tälern, Durchbrechung von Bergen, Ausfüllung
von Senkungen usw. Dab die Wegeverwaltung schon gut ausgebildet
war, kann nicht auffallen. Besonders war für die Unterhaltung der
Wege gesorgt, wobei die längs der Straben gelegenen Grundstücke in
Anspruch genommen wurden.
Zur Durchführung und Erhaltung eines solchen Strabennetzes ge-
hörte eine starke Zentralgewalt. Während des Mittelalters feblte es an
einer solchen, und schon daraus erklärt es sich, daßb das Landstraben--
wesen im Mittelalter in sehr mangelbaftem Zustande war. Nur da. wo
Sich eine stärkere Zentralgewalt für ein grobes Gebiet entwickelte, griff
die Regierung erfolgreich in das Strabenwesen ein. Im Orient geschah
das in dem jungen Kalifenreiche seit dem 7. Jahrhundert, und die
Kalifen haben ansehnliches durch die Schaffung eines Strabennetzes
geleistet und auf diesem Netze auch einen geordneten Nachrichtendienst
entwickelt. Im Abendlande war es Karl der Große, der dem Straben-
wesen erhöhte Aufmerksamkeit zuwandte. Er fand es iu traurigem
Zustande vor. Mit dem Verfalle der römischen Herrschaft und Kultur
waren auch die Straben verfallen, weil keine Gewalt da war, die das
Strabenwesen kräftig in die Hand nehmen konnte. Karl der Grobße
ordnete Wegebauten an, stellte besondere missi domini zu ihrer Uber-
wachung an und suchte namentlich die Unterhaltungspflicht der Ge-
meinden wieder zur Geltung zu bringen. Die Hauptwege waren not-
dürftig gepflastert, die Nebenwege konnten sich gleicher Fürsorge nicht
erfreuen.
Mit dem Tode Karls des Großen zerfiel sein großbes Reich, zerfiel
die Zentralgewalt, die es zusammengehalten hatte. Das Feudalwesen
beherrschte die Staatsverfassung. Die Herstellung der Wege wurde von
den Landesherren der vielen Teilgebiete zwar als ibr Recht in Ansprucht
genommen; aber der daraus erwachsenden Pflicht wurde nicht Genüge
geleistet. So muhßte das Strabenwesen wieder verfallen. Das Bedürfnis
nach Kunststraßen war auch bei dem niedrigen Stande der Wirtschafts-
verhältnisse nur gering. Für den Handel mit dem näheren Osten trat
sein dem 8. Jahrhundert der Seeweg zum Teil an die Stelle der Land-
wege über die Alpen, und im Binnenverkehre wurden die Flubläufe
wichtiger. Für die herrschende Klasse, die Ritter, war ein Bedürfnis
nach guten Straben nicht vorhanden. Sie konnten auch ohne solche
fortkommen und fanden sogar, je mehr das Raubrittertum um sich grifk,