Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

2. Kapitel. Entwickelungsgang. 177 
fuhrwerke geführt haben. Man brauchte von dem Baumstamme nur 
die entbehrlichen Teile fortzuarbeiten und an jeder Seite eine Holzscheibe 
stehen zu lassen, 80 hatte man eine mit zwei Scheibenrädern fest ver- 
bundene Achse. Es hat vermutlich lange gedauert, bis man die Scheiben 
in einen durch Speichen verbundenen Radkranz verwandelte und sie 
selbst drehbar machte. Durch Anbringung eines Kastenaufsatzes auf 
diesem Rädergestell entstand der Wagen, der lange Zeit hindurch zwei- 
rädrig blieb und fast ausschlieblich als Streit- und Ehrenwagen benutzt 
wurde. Vierrädrige Wagen werden zuerst von Hnobor als bei den 
Persern vorhanden erwähnt. 
Die Römer, die den Wagen aus seiner bisherigen Beschrünkung auf 
Kriegs- und dgl. Zwecke heraushoben, hatten bereits mannigfaltige 
Formen von Wagen, die teilweise den im Wagenbau verhältnismäbßig 
schon weit vorgeschrittenen Galliern entlehnt waren. Die Wagen, deren 
einzelne Formen übergangen werden können, dienten vorzugsweise dem 
Personenverkehr und waren für diese Zwecke oft sehr reich ausgestattet, 
aber noch ohne Federn; meist ruhte der Sitz unmittelbar auf der Achse. 
JNur bei dem Cisium genannten Wagen bing der Sitz in Riemen. Die 
Römer batten auch schon Wagen mit Verdeck. Daneben wurden die 
Wagen auch für den Päckerei- und Güterverkehr benutzt, und die Arcera, 
der eigentliche Frachtwagen der Römer, unterscheidet sich nur wenig 
von dem heutigen Frachtwagen. 
Die Völkerwanderung bedeutete auch hier eine Vernichtung des 
bereits Errungenen, und im Mittelalter behalf man sich mit sehr ein- 
fachen Wagenformen, die anfangs von Ochsen, später von Pferden ge- 
zogen wurden, in Wabrheit aber nicht mehr als plumpe Karren waren. 
Die Verbesserungen, die nach und nach an diesen Wagen angebracht 
wurden, bezogen sich vorzugsweise auf den Personenverkebr. Im 
15. Jahrhundert fing man an, die Reisewagen zu überdachen. Das 
Obergestell, das früher in Ketten an den auf dem Rädergestelle an- 
gebrachten vier aufrechten Pfählen hing, wurde im 15. Jahrhundert in 
Riemen aufgehängt. Aus diesen Wagen entwickelten sich dann später 
die Kutschen, die lange Zeit hindurch ein grohber Luxusgegenstand blieben. 
Die Wagen mit in Riemen hängendem Obergestell sollen zuerst in 
Ungarn aufgekommen sein — und zwar in Kocs bei Raab, wovon das 
Wort Kutsche abgeleitet wird —; sie verbreiteten sich von da aus in 
Deutschland, Frankreich, England usw. 
Die weiteren wichtigen Verbesserungen der Personenwagen sind: 
die Einführung der unterlaufenden Räder, d. h. die Anbringung der 
niedrigen Vorderräder unter den in die Höhe gebogenen rechts und 
links vom Wagenkasten laufenden Langbäumen (um 1650), ferner die 
Beschrünkung auf einen Langbaum, der unter dem in Riemen an 
hölzernen oder stählernen Federn bängenden Wagenkasten lief (gegen 
va ps Bonsohr, Vorkehrswosen. 2. Aufl. 12
	        
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