3. Kapitel. Die Aufgaben der öffentl. Gewalt gegenüber dem Straßenwesen. 199
Stunde, kann aber bei Bereifung der Triebräder mit Gummi auf 16 km
gesteigert werden. Höhere Geschwindigkeiten kann die höhere Ver-
waltungsbehörde zulassen. Auf unübersichtlichen Stellen, bei Straben-
kreuzungen, Straßbeneinmündungen, Straßenkrümmungen, beim Passieren
von Brücken und Toren und sonstigen schwierigen Einfahrten und
Stellen und überall, wo lebhafter Verkehr herrscht, muß langsam und
so vorsichtig gefahren werden, dabß sofortiges Halten möglich ist. Für
den sonstigen Verkehr, also den Verkehr auf freier Landstraße, wird in
der Verordnung — abweichend von dem schon erwähnten Vorgehen
vieler anderer Länder — nicht eine bestimmte Höchbstgeschwindigkeit
festgesetzt, sondern nur gefordert: „Die Fahrgeschwindigkeit ist jederzeit
80 einzurichten, daß Unfälle und Verkehrsstörungen vermieden werden,
und dab der Führer in der Lage bleibt, unter allen Umständen seinen
Verpflichtungen Genüge zu leisten“. Diese weitherzige Bestimmung
trägt der besonderen Leistungsfähigkeit der Kraftfahrzeuge Rechnung.
Die Innehaltung der gesetzlichen und sonstigen Anordnungen über den
Verkehr mit Kraftfahrzeugen sucht das Gesetz vom 3. Mai 1909 durch
eine Reihe von Strafvorschriften zu sichern. Der Tatsache, dab nicht
nur dem Führer des Kraftfahrzeugs, sondern auch den Führern anderer
Fahrzeuge und den Fubgängern verschärfte Pflichten auferlegt werden
müssen, wenn Störungen und Unfälle vermieden werden sollen, hat das
deutsche Gesetz nicht Rechuung getragen, während die belgische Ver-
ordnung vom 4. August 1899 eine Reihe entsprechender Vorschriften
enthält. Wo solche Vorschriften fehlen, mulß man mit der Selbsterziehung
der Bevölkerung zu größerer Aufmerksamkeit gegenüber den schnell-
fahrenden Kraftfahrzeugen rechnen.
Die beiden Richtungen der deutschen Regelung — Verkehrsvor-
schriften und Haftpflicht — finden sich auch in dem dänischen Gesetz
vom 27. März 1908 vereinigt, während andere Länder beide Aufgaben
getrennt zu lösen suchten. So ist z. B. in Usterreich der Verkehr durch
Verordnung vom 27. September 1905, die Haftpflicht durch Gesetz vom
9. August 1908 geregelt, in Schweden jene durch Verordnung vom
21. September 1906, diese durch Gesetz vom 8. Juni 1906. In noch
anderen Ländern, z. B. in Frankreich, Grobbritannien, den Vereinigten
Staaten von Amerika glaubt man einer besonderen Haftpflicht-
regelung für Kraktfahrzeuge mit Rücksicht auf die vorhandene allge-
meine Haftpflichtgesetzgebung entraten zu können. Uber den Verkehr
sind dagegen auch hier besondere Vorschriften gegeben, in Grobßbritannien
durch Gesetz vom 31. Dezember 1903 und in den dazu ergangenen Ver-
ordnungen, in Frankreich durch mehrere Verordnungen seit 1899, in
den Vereinigten Staaten von Amerika nur durch einzelstaatliche Gesetze,
nicht durch Bundesgesetz.
Diese Beispiele zeigen, daß die Staaten sich frühzeitig der neuen