3. Kapitel. Die Aufgaben der öffentl. Gewalt gegenüber dem Straßenwesen. 207
Selbstverwaltungskörpern bestimmte Aufgaben bei der Anlage und Ver-
waltung zuzuweisen. Eine ganz scharfe Abgrenzung nach dem Mabe
des Anteils der verschiedenen Stufen der öffentlichen Gewalt an den
Strabengruppen ist in der Regel nicht möglich, und die besonderen
Verhältnisse werden hier stets eine große Rolle spielen. Auch kommt
die größere und geringere Befähigung des Volkes zur Selbstverwaltung
in Betracht. Je geringer diese Befähigung, desto weniger darf den
geringeren Stufen der öffentlichen Gewalt ein selbständiges Vorgehen
gestattet werden. Aber auch bei größerer Befühigung zur Selbstverwal-
tung wird der Staat das Oberaufsichtsrecht nicht aus der Hand geben
dürfen, damit er stets rasch und wirksam eingreifen kann, wenn die Be-
tätigung der Selbstverwaltungskörper Bahnen einschlägt, die dem Be-
dürfnisse des Staatsganzen nicht entsprechen.
In jedem Falle ist es nötig, die Rechte und Pflichten der einzelnen
öffentlichen Stellen in bezug auf das Wegewesen gesetzlich so deutlich
wie möglich abzugrenzen, damit nicht unter unfruchtbaren Auseinander-
setzungen zwischen den einzelnen Stellen die Entwickelung Schaden
leidet. Fehlt es an solchen Bestimmungen, so wird der Bau oder die
Unterbaltung eines nötig werdenden neuen oder die Verbesserung eines
schon bestehenden Weges leicht von einer Behörde der anderen zu-
geschoben, und dadurch kann die im Verkehrsbedürfnisse nötige Mab-
nahme über Gebühr verzögert werden. Für den Fall aber, daß zwischen
den verschiedenen Stellen derartige Meinungsverschiedenheiten entstehen,
mubß Fkür ihre möglichst rasche Entscheidung gesorgt werden. Die Ent-
scheidung muß sich möglichst auf die in Betracht kommenden Ver-
kehrsbedürfnisse stützen, macht also oft die Heranziehung von Personen
erwünscht, die mit den jeweiligen Verhältnissen vertraut sind. In welcher
Weise diese Heranziehung zu erfolgen bat, hängt von dem Aukfbau der
zuständigen Behörden ab.
Der Aufbau der Wegebehörden ist in den einzelnen Staaten sehr
verschieden, und es ist nicht möglich, ein unbedingt bestes Verfahren
aufzustellen. Die beiden größten Gegensätze bezeichnen in dieser Be-
ziehung Frankreich und England. In Frankreich ist alles bis in die
Einzelheiten für das ganze Staatsgebiet von Staatswegen einheitlich ge-
regelt, wie denn überhaupt Frankreich den Gedanken straffer Zusammen-
fassung in seiner Verwaltung auf das schärfste ausgeprägt hat. Die
belgische und italienische Wegeverwaltung lehnt sich an das französische
Vorbild an. In England beruht alles auf dem Gedanken des „Self-
government“, auch im Wegewesen. Die Staatsgewalt als solche bat sich
im Wegewesen unmittelbar nicht betätigt, abgesehen von der erst in den
60 er Jahren durchgeführten Einsetzung von staatlichen Aufsichtsbehörden.
Die eigenartige Folge dieses Verfahrens sind die schon erwähnten Turn-
pike-ronds gewesen, d. h. die Wege, die durch bevorrechtete Erwerbs-