212 II. Abschnitt. Der Strabenverkehr.
den Verkehr sehr stört und die ärmere Bevölkerung im Verbältnisse
zu stark belastet. An den Ubergang zum Grundsatze des freien Genuß-
guts kann aber bei Brücken in der Regel erst dann gedacht werden.
wenn die Anlagekosten getilgt sind.
Auch bei den Landstraßen als solchen darf vor Erreichung dieses
Zeitpunktes der Verzicht auf jedes eigene Erträgnis im allgemeinen als
verfrüht bezeichnet werden insofern, als nun zur Deckung der erbeb-
lichen Verzinsungs- und Tilgungskosten die Steuerzahler in erhöhtem
Mabe in Anspruch genommen werden müssen. Diese Steuerlasten würden
leicht sehr ungleich auf die Bevölkerung drücken können, wenn man
ihre Verkehrsbetätigung ins Auge fabßt, jedenfalls viel ungleicher, als die
Wegegebühren; diese wirken ja auch nicht völlig gleichmähßig, aber sie
belasten doch den, der nur mittelbar aus den Landstraben Vorteil ziebt,
gar nicht und die übrigen nur in dem Maße, wie sie selbst die Land-
straße benutzen. Die Ungleichbeiten der neuen Steuerlast würden be-
sonders fühlbar sein, wenn das Wegenetz noch nicht besonders dicht
ist. Je mehr noch Ergänzungen im Wegenetze nötig sind, desto mehr
ist noch der Vorteil der Landstraben für die einzelnen Benutzer erkennbar,
und desto weniger umfassend ist die befruchtende Wirkung auf die
Gesamtentwickelung. Erst bei hober und gleichmähiger Ausbildung des
Wegenetzes tritt diese ungleiche Wirkung des Wegewesens 80 weit zurück,
daß sie unbeachtet bleiben kann. Erst dann kann es berechtigt sein,
die Gesamtheit für die Zwecke des Landstraßenwesens unter völliger Frei-
lassung der Benutzer zu belasten.
Dab die Verkehrtreibenden schon viel früher auf völlige Beseitigung
der Landstraßengebühren drängen, ist freilich verständlich genug. Weniger
die neuerdings doch meist mähige Höbe der Abgabe, als vielmehr die damit
verbundene Belästigung ist es, die störend wirkt, und gerade die dadurch
hervorgerufene Erschwerung des Verkehrs in Verbindung mit den ver-
hältnismäbßig sehr hohen Erhebungskosten hat dazu geführt, daß schon zum
guten Teile auf den Landstraben der Grundsatz des freien Genußguts zur
Geltung gekommen ist. Dem Drängen der Verkehrtreibenden auf Beseiti-
gung der Landstrabengebühren kann nach dem gesagten nicht immer sofort
Rechnung getragen werden. Man wird aber stets darauf Bedacht nehmen
miüssen, die Gebühren nicht zu boch zu schrauben und ihre Erbhebung so
zu gestalten, daß der Verkehr möglichst wenig beengt und belästigt wird.
Im Anfange des 19. Jahrhunderts ist das Landstraben-Abgaben-
wesen in Deutschland dabin umgestaltet worden, dab der Gedanke der Ge-
leitgebühren verschwand, und dab die verbleibenden Landstraben- und
Sonstigen Verkehrsabgaben als Gebühren das Entgelt für die Leistungen
zur Unterhaltung der Kunststraßen, Wege, Brücken und Fähren bilden
sollen. Das hatte schon der vielgenannte preubßische Zolltarif vom
26. Mai 1818 ausgesprochen. Denselben Gedanken einer Herabsetzung