10 . Abschnitt. Das Verkehrswesen im allgemeinen.
das Verkehrsbedürfnis nur einen beschränkten Umfang bat, kann im
allgemeinen auch nur ein weniger hoch ausgestaltetes Verkehrswesen
ungewendet werden.
Es ist durchaus kein Zufall, sondern die natürliche Folge dieses
Zusammenhanges, daß die Form des Grobßbetriebs im Personen-, Güter-
und Nachrichtenverkehr erst in der neueren oder neuesten Zeit Platz
gegriffen hat. Nachrichten, Güter und Personen sind zwar schon seit
Jahrtausenden befördert worden, auch gewisse planmähßig aufgebaute und
einheitlich geleitete Vorkehrungen und Einrichtungen zur Durchführung
dieses Verkebrs begegnen uns in früheren Jahrhunderten. Aber in allen
Beziebhungen waren doch die Verbältnisse des Verkehrswesens unendlich
einfacher, als sie heute in den vorgeschrittenen Staaten sind, und mubten
einfacher sein, weil das Verkehrsbedürfnis der breiten Volksschichten
noch beschränkt war. Man kann demgegenüber nicht etwa darauf bin-
weisen, dab die Perser und Römer schon einen gut eingerichteten
Nachrichtendienst hatten. Sie hatten ihn nur für diejenigen Kreise, bei
denen ein stärkeres Verkehrsbedürfnis bestand, für den Herrscher und
seine Behörden und Beamten; die breite Masse des Volkes nahm an
diesen Einrichtungen keinen oder nur geringfügigen Anteil und verlangte
auch keinen erheblicheren Anteil, weil ihre Bedürfnisse in bezug auf den
Verkehr nach Maßgabe der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse noch
nicht so sehr gesteigert waren. Das Eigenartige und Kennzeichnende der
neuzeitlichen Verkehrsverhältnisse vorgeschrittener Staaten liegt gerade
darin, daß die Benutzung der leistungsfähigsten Verkehrswerkzeuge zu
einem allgemeinen Volksbedürfnisse geworden ist, freilich immer noch
mit gewissen Unterschieden von Klasse zu Klasse.
Die Steigerung der „Intensität" hat also, wenn sie nicht unwirtschaft-
lich werden soll, ibre Grenze in dem vorhandenen Mabe des Verkehrs-
bedürfnisses. Aber — und das ist von größter Bedeutung — deiese
Grenze ist nichts Feststchendes. Wie die Bedürfnisse des Menschen
überhaupt einer unbegrenzten Steigerung und Entwickelung fäbig sind,
s80 kann auch das Verkehrsbedürfnis gesteigert werden. Die so oft
hervorgehobene „verkehrschaffende“ Wirkung der Vervollkommnung des
Verkehrs berubt wesentlich auf dieser Möglichkeit, das Verkehrsbedürf-
nis zu steigern. Wo die Vorbedingungen für die Erhöhung der Verkehrs-
bedürfnisse der Volksmasse aus irgend einem Grunde fehlen, bleibt die
verkehrschaffende Wirkung aus, und wo sie eintritt, vollzieht sie sich
nur in dem Mahbe, als die Voraussetzungen für die Bedürfnissteigerung
gegeben sind. Die natürliche Versorgung des Landes mit wirtschakt-
lichen Hilfsmitteln, die Eigenart des Volkes, die politischen und gesell-
schaftlichen Verbältnisse sind bei der Bestimmung dieses Maßes von
Einfluß. Wo der Boden schon gehörig vorbereitet ist, wo die Geister
schon empfänglich sind für die Bedeutung einer Vervollkommnung des