Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

10 . Abschnitt. Das Verkehrswesen im allgemeinen. 
das Verkehrsbedürfnis nur einen beschränkten Umfang bat, kann im 
allgemeinen auch nur ein weniger hoch ausgestaltetes Verkehrswesen 
ungewendet werden. 
Es ist durchaus kein Zufall, sondern die natürliche Folge dieses 
Zusammenhanges, daß die Form des Grobßbetriebs im Personen-, Güter- 
und Nachrichtenverkehr erst in der neueren oder neuesten Zeit Platz 
gegriffen hat. Nachrichten, Güter und Personen sind zwar schon seit 
Jahrtausenden befördert worden, auch gewisse planmähßig aufgebaute und 
einheitlich geleitete Vorkehrungen und Einrichtungen zur Durchführung 
dieses Verkebrs begegnen uns in früheren Jahrhunderten. Aber in allen 
Beziebhungen waren doch die Verbältnisse des Verkehrswesens unendlich 
einfacher, als sie heute in den vorgeschrittenen Staaten sind, und mubten 
einfacher sein, weil das Verkehrsbedürfnis der breiten Volksschichten 
noch beschränkt war. Man kann demgegenüber nicht etwa darauf bin- 
weisen, dab die Perser und Römer schon einen gut eingerichteten 
Nachrichtendienst hatten. Sie hatten ihn nur für diejenigen Kreise, bei 
denen ein stärkeres Verkehrsbedürfnis bestand, für den Herrscher und 
seine Behörden und Beamten; die breite Masse des Volkes nahm an 
diesen Einrichtungen keinen oder nur geringfügigen Anteil und verlangte 
auch keinen erheblicheren Anteil, weil ihre Bedürfnisse in bezug auf den 
Verkehr nach Maßgabe der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse noch 
nicht so sehr gesteigert waren. Das Eigenartige und Kennzeichnende der 
neuzeitlichen Verkehrsverhältnisse vorgeschrittener Staaten liegt gerade 
darin, daß die Benutzung der leistungsfähigsten Verkehrswerkzeuge zu 
einem allgemeinen Volksbedürfnisse geworden ist, freilich immer noch 
mit gewissen Unterschieden von Klasse zu Klasse. 
Die Steigerung der „Intensität" hat also, wenn sie nicht unwirtschaft- 
lich werden soll, ibre Grenze in dem vorhandenen Mabe des Verkehrs- 
bedürfnisses. Aber — und das ist von größter Bedeutung — deiese 
Grenze ist nichts Feststchendes. Wie die Bedürfnisse des Menschen 
überhaupt einer unbegrenzten Steigerung und Entwickelung fäbig sind, 
s80 kann auch das Verkehrsbedürfnis gesteigert werden. Die so oft 
hervorgehobene „verkehrschaffende“ Wirkung der Vervollkommnung des 
Verkehrs berubt wesentlich auf dieser Möglichkeit, das Verkehrsbedürf- 
nis zu steigern. Wo die Vorbedingungen für die Erhöhung der Verkehrs- 
bedürfnisse der Volksmasse aus irgend einem Grunde fehlen, bleibt die 
verkehrschaffende Wirkung aus, und wo sie eintritt, vollzieht sie sich 
nur in dem Mahbe, als die Voraussetzungen für die Bedürfnissteigerung 
gegeben sind. Die natürliche Versorgung des Landes mit wirtschakt- 
lichen Hilfsmitteln, die Eigenart des Volkes, die politischen und gesell- 
schaftlichen Verbältnisse sind bei der Bestimmung dieses Maßes von 
Einfluß. Wo der Boden schon gehörig vorbereitet ist, wo die Geister 
schon empfänglich sind für die Bedeutung einer Vervollkommnung des
	        
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