2. Kapitel. Die Entwickelung der Eisenbahnen. 243
bayerischen Staatseisenbahnen usw. Für alle deutschen vollspurigen
Staatsbahnen war 1910 das Lokomotivgewicht (einschl. Tender) im
Durchschnitt 52,35 t, dagegen für alle deutschen vollspurigen Privat-
bahnen nur 29,01 t, für alle deutschen vollspurigen Bahnen 51,80 t
gegen 47.04 t im Jabre 1905, 43,10 t im Jahre 1900, 39,68 t im
Jahre 1890. Die Zabl der Pferdestärken ist aber gleichzeitig so
gesteigert worden, dab überall jetzt das Gewicht für 1 Pferde-
stärke wesentlich heruntergegangen ist. Multte man Anfang der 40 er
Jahre 300 kg auf 1 Pferdestärke der Lokomotiven rechnen, so kommt
man jetzt schon häufig mit 40 kg aus. Die Pferdestärken selbst haben
ungemein zugenommen. Die Lokomotiven hatten in den ersten Jahren
der Eisenbahnen noch nicht 20 PS, in den 40 und 50 er Jabren
20—50 PS; jetzt sind 1000—1500 PS häufig vertreten, und 2000 und
mehr PS sind schon mehrfach erreicht.
Der Raddruck ist naturgemäß ebenfalls gewachen. Während man
früher auf Hauptbahnen über 7t Raddruck nicht binauskam, muß
jetzt in Deutschland der Oberbau bei Hauptbahnen je nach der Belastung
mit Schnellzügen einem Raddruck von 8—9t (bei Nebenbahnen von
7—7,6 t) gewachsen sein. In England ist der Raddruck teilweise auf
10 t, in den Vereinigten Staaten teilweise auf 13t und mehr gesteigert
worden.
Der Wasserverbrauch ist — wie schon erwähnt — bei den neueren
Lokomotiven im Verhältnis vermindert worden. Er ist aber immer noch
grob. Nach dem Werke „Das deutsche Eisenbahnwesen der Gegen-
wart“ (Berlin 1911, S. 47) verdampft in der Regel auf einer Strecke von
10 km eine Schnellzuglokomotive 1 chm und eine Güterzuglokomotive
1½8 chm Wasser. Um gröbere Dauerleistungen zu erzielen, muß man
den Aufenthalt zur Wasseraufnahme seltener zu machen suchen. Dem
dient, außer der besseren Bauart der Maschinen selbst, die Vergröherung
des Wasserraums, ein Weg der u. a. in Deutschland beschritten ist und.
auch neuerdings eifrig weiter verfolgt wird. Bei Schnellzuglokomo-
tiven in Preußen ist der Wasserraum schon auf 20 und mehr chm,
in einzelnen Fällen schon auf 30 chm gesteigert. Ein anderer Weg ist
die Wasserentnahme während der Fahrt aus Schöpfgruben mit Hilfe
eines am Tender angebrachten Schöpfrohrs, dessen beweglicher Schnabel
während des Vorbeifahrens an der Schöpfgrube in diese — mit der
Offnung nach vorn — gesenkt wird, sodaß das Wasser infolge der-
Vorwärtsbewegung des Schnabels in das Schöpfrohr aufsteigen muß.
Diese Einrichtung ist zuerst 1857 von RaNs-BOTOM in England ange-
wandt und seitdem von englischen und amerikanischen Bahnen mehr-
fach benutzt worden. Die günstigste Geschwindigkeit zum Wasser-
nehmen während der Fahrt sind 60 km in der Stunde. Das Verfahren
ist in Ländern mit stärkerem Froste, also auch in Deutschland nicht
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