Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

2. Kapitel. Die Entwickelung der Eisenbabnen. 247 
die höchsten Reisegeschwindigkeiten auf 88,2 km in der Stunde 
(Berlin— Halle), 86,5 km (München —Nürnberg), 86 km (Berlin—Ham-- 
burg), 85,7 km (Wittenberge— Hamburg) usw. Für Grohbritannien 
werden dort 7 Züge mit noch höherer Reisegeschwindigkeit — 90,7 km 
bis 99,4 km — angefübrt, für Frankreich 6 Züge — 89 bis 94,9 km —, 
wobei natürlich zu beachten wäre, wie weit in solchen Zügen die Erhe- 
bung besonderer Zuschläge und eine Beschränkung auf die erste 
Wagenklasse stattfindet. Vereinzelt Kkommen in den Vereinigten Staaten 
noch schnellere Züge vor, z. B. von Camden bei Philadelphia nach dem 
Badeort Atlantic City mit 109 km Durchschnittsgeschwindigkeit in der 
Stunde. Im allgemeinen fahren die amerikanischen Bahnen langsamer 
als die deutschen. 
Dabß die Fahrgeschwindigkeit an sich noch gesteigert werden kann, ist 
anzunehmen. Ob man aber mit der Dampfkraft dabei über 130—150 km 
Grundgeschwindigkeit in der Stunde für längere Strecken hinauskommen 
wird, ist immerhin noch zweifelhaft, da die Rücksichten auf die Sicherheit 
und die Leistungsfäbigkeit des Oberbaues hier stark mitsprechen. Nötigen- 
falls würde man bei weiterer Steigerung der Fahrgeschwindigkeit dem 
schon erörterten Gedanken nahetreten müssen, für den auf schnelle 
Beförderung besonders angewiesenen Personenverkehr besondere, für 
den Güterverkehr nicht bestimmte Eisenbahnnetze zu bauen („Schnell- 
bahnnetze“). 
Bei alledem ist natürlich zu bedenken, daß in dem Lokomotiv- 
bestande jeder Bahnverwaltung neben den neuen, mit allen Verbesserungen 
ausgerüsteten Lokomotiven auch eine ganze Reibe älterer in Verwendung 
geblieben sind, also nicht durchweg auf die heute möglichen hoch- 
gesteigerten Leistungen gerechnet werden kann. Bei den Reichseisen- 
bahnen z. B. sind 1910 von den vorhandenen Lokomotiven die ältesten 1871 
in Dienst gestellt worden, ebenso auf den preußisch-hessischen Staatsbahnen, 
ferner auf den bayerischen Staatsbahnen 1863, auf den sächsischen Staats- 
bahnen 1857, auf den württembergischen Staatsbahnen 1864 usw. JNatür- 
lich handelt es sich nur um eine geringe Zahl älterer Lokomotiven. Die 
Hauptmasse stammt stets aus neuerer Zeit. Desbalb ist auch das Durch- 
schnittsalter der vorbandenen Lokomotiven nur gering; auf den deutschen 
vollspurigen Privat- und Staatsbahnen war es 1880: 10,89 Jahre, 1890: 
411 Jabre, 1900: 13,2 Jahre, 1901: 12,9 Jahre. 
Erwähnt sei noch, daß die Lokomotiven zum weitaus größten Teile 
Reibungslokomotiven, also für den Betrieb auf Reibungsbahnen bestimmt 
und nur bier verwendbar sind. Die Reibungslokomotive ist natürlich 
für die Zahnradbahn nicht geeignet. Auf den mit Zahnstangen ver- 
scehenen Bergbahnen müssen besonders ausgestaltete Lokomotiven ver- 
wendet werden, die durch ihr Zahnrad in die Zahnstange eingreifen und 
mit ganz besonders wirksamen Bremsvorrichtungen verschen sind. Mit
	        
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