2. Kapitel. Die Entwickelung der Eisenbahnen. 249
889 zuerst in Budapest durchführte und was eine Zeitlang bevorzugt
wurde. Da im allgemeinen die oberirdische Stromzuführung durch
Drahtleitung über der Fahrstrecke geringere Anlagekosten verursacht,
hat sie später die Oberhand gewonnen. Der Gedanke einer solchen
Oberleitung über der Mitte des Geleises war 1885 zum erstenmal von
VAN DEPOELE derart durchgeführt, daß die Abnahme des Stromes durch
eine Gleitrolle erfolgte, die sich von unten federnd gegen die Draht-
leitung legte. Die Gleitrolle wurde 1888 von SenchE an einer schrägen
federnden Stange angesetzt, die auf der Oberseite des Wagens au-
gebracht wurde. Statt der Gleitrolle hatte man 1887 auf der Linie vom
Anhalter Bahnhof zur Kadettenanstalt in „Groblichterfelde bei Berlin
einen Gleitbügel angewandt. Er vermied den Nachteil der Gleitrolle,
bei Krümmungen vom Leitungsdraht abzuspringen, nutzte aber durch
die stärkere Reibung den Leitungsdraht mehr ab und vermochte deshalb
die Gleitrolle nicht zu verdrängen.
Im städtischen Orts- und Nahverkehr wurde die elektrische Kraft
auch für Untergrund- und Hochbahnen seit 1895 — zuerst in Baltimore
und Chicago, 1896 in Budapest und seitdem in vielen großben Städten —
benutzt, was einen durch den Strabenverkehr nicht behinderten Schnell-
betrieb ermöglichte und damit einem wichtigen Bedürfnisse des inner-
städtischen Verkehrs entsprach. Die 1902 eröffnete Berliner Hoch- und
Untergrundbahn erzielt 30—50 km Fahrgeschwindigkeit in der Stunde.
„Uber den städtischen Orts- und Nahverkehr greifen die elektrisch
betriebenen Städtebahnen („Uberlandbahnen“) binaus, die zur schnellen
Verbindung grobßer Städte bestimmt sind und sich seit Ende des 19. Jahr-
hunderts entwickelt haben. Auch auf den Schwebebahnen, bei denen
die Fahrzeuge an einer, seltener an zwei Schienen hängen, hat sich die
Elektrizität als Triebkraft bewährt. Nach dem Verfahren von LaxgeEN
sind solche Bahnen zuerst 1893 in Deutz bei Cöln und 1900 üher dem
Wuppertale zwischen Elberfeld und Vohwinkel erbaut worden. Auch
bei Zahnradbahnen ist die Elektrizität in Anwendung gekommen, was
noch den Vorzug bot, daß bei der Fahrt zu Tal durch das Gefülle eine
Stromrückgewinnung ermöglicht wurde. Die erste Bahn, auf der dieser
Gedanke verwirklicht wurde, war die 1894 eröffnete Zahnradbahn von
Barmen nach dem Tölleturme.
Die erwähnten Vorteile des elektrischen Betriebes würden in be-
stimmtem Umfange auch dann zu erwarten sein, wenn es gelänge, die
elektrische Kraft zur Zugförderung im Fernbetrieb und für schwerere
Züge zu verwenden mit einem Kostenaufwande, der einen wirtschaft-
lichen Betrieb gestattet. Zugleich würde damit die technische Nöglich-
keit einer wesentlichen Steigerung der Fahrgeschwindigkeit gegeben sein.
Bei den Versuchen, die von der Studiengesellschaft für elektrische
Schnellbahnen 1901 und in den folgenden Jahren auf der Militärbahn-