258 III. Abschuitt. Der Eisenbahnverkehr.
Die politische Zersplitterung Deutschlands lieb ein einbeitliches
Vorgehen der einzelnen Staaten nicht aufkommen. Preußen stellte sich
in seinem Eisenbahngesetze vom 3. November 1838 auf den durch
Englands Beispiel nahegelegten Standpunkt, daß der Bau der Eisen-
bahnen Erwerbsgesellschaften überlassen werden müsse. Bis zum
Jahre 1812 waren denn auch die Berlin-Potsdamer, die Düsseldorf-
Elberfelder, die Berlin-Anhalter, die Magdeburg-Leipziger und die
Rheinische Bahn von Aktiengesellschaften vollendet und die Ausführung
der Berlin-Stettiner, der Berlin-Frankfurter, der Magdeburg-Halberstädter,
der Bonn—Cölner und der Oberschlesischen Bahn durch Aktiengesell-
schaften sicher gestellt. Bei der Berlin-Anhalter und der Berlin-Stettiner
Bahn hatte der Staat aber schon durch Aktienzeichnung und Zinsgewähr
eingegriffen. Die Staatsunterstützung muhte von jetzt an reichlicher
eintreten, well die Erwartungen auf günstige Erträge nicht in Erfüllung
gegangen waren und sich desbalb die Erwerbsunternehmungen zurück-
haltender zeigten. Ene Reihe von Linien wurden in den Jahren
1842 —18147 auf diese Weise zustande gebracht. Die Verhältnisse des
Jahres 1848 veranlahten die preußische Regierung zu dem Entschlusse,
wichtige Linien fortan auf Staatskosten auszubauen; das geschah denn
auch von 1849— 1862 mit der preulischen Ostbahn, der Westfälischen
und der Saarbrückener Bahn, während die Aachen-Düsseldorfer und die
Rubrort-Krefelder Bahn gegen Zinsgewähr in die Verwaltung des Staates
übergingen (auf Grund der 1849 und 1850 geschlossenen Verträge).
Das letztere geschah in den 50 er Jahren noch mit verschiedenen anderen
Bahnen. Dem reinen Staatsbahngedanken hat sich Preuben erst 1879
zugewandt.
Von den anderen deutschen Staaten hat zuerst Braunschweig seit
1837, dann Baden seit 1838, Bayern, wo eine gröbere Linie (München—
Augsburg) von einer Gesellschaft erbaut worden war, seit 1840,
Hannover seit 1841, Württemberg seit 1843 den Staatsbahngedanken
verfolgt, während Sachsen anfangs ein gemischtes Verfahren hatte, aber
bald den Staatsbau und den Staatsbetrieb in den Vordergrund schob.
In den 70er Jahren machte sich der Privatbahnbau in Sachsen wieder
neben dem Staatsbau stark geltend.
Erst seit Mitte der 50er Jahre wurde zwischen den einzelnen
Gruppen der deutschen Bahnen der Zusammenhang hergestellt, soda!ß
erst von dieser Zeit an von einem deutschen Eisenbahnnetze gesprochen
werden kann. Seitdem 1871 dem Reiche ein Aufsichtsrecht über die
Bahnen zugestanden worden war, wurde die Einheitlichkeit im deutschen
Bahnwesen erheblich gefördert.
Der Versuch, die deutschen Bahnen zu Reichsbahnen zu machen
(Mitte der 70 er Jahre), scheiterte.
Bis 1880, in welchem Jahre das Hauptbahnnetz in Deutschland im