Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

4. Kapitel. Die Anfgaben d. öffentl. Gewalt gegenüber den Eisenbabnen. 279 
Auch in die Preis-(Tarif-,Bildung muß stark durch die öffentliche 
Gewalt eingegriffen werden, weil sonst leicht eine einseitige Ausbeutung 
eintritt. Alles das setzt in jedem Falle ein scharf ausgeprägtes Ober- 
aufsichtsrecht des Staates voraus, das gegenüber allen Stufen der für 
öffentlichen Verkehr bestimmten Eisenbahnen geltend zu machen ist. 
Bei keinem Verkehrsmittel zur Personen- und Güterbeförderung tritt 
das Bedürfnis nach voller Zusammenfassung des Betriebsdienstes und 
der Betriebsordnung so scharf hervor, wie bei den großen Eisenbahn- 
linien. Bei ihrer großen Fernwirkung ist der ungehinderte Umlauf der 
Fahrzeuge und Lokomotiven auf den mit einander in Verbindung stehen- 
den Hauptlinien unter Vermeidung der sehr verwickelten und mühevollen 
Abrechnung über die gegenseitige Benutzung der Fahrzeuge und Loko- 
motiven ganz unentbehrlich, wenn wirklich in wirtschaftlicher Weise der 
Verkehrsdienst bewältigt werden soll. Die frühzeitige Bildung größerer 
Verbände von Privatbahnen, die in Deutschland schon Mitte der 40 er 
Jahre einsetzte, und die Schaffung besonderer Abrechnungstellen, wie 
des 1842 begründeten Railway-Clearinghouse in England, der 1871 
errichteten „General-Saldierungsstelle“ des Vereins deutscher Eisenbahn-- 
verwaltungen und des 1873 gebildeten Zentralabrechnungsbureaus der 
österreichischen Bahnen beweisen das deutlich. Die oben angedeuteten 
Schwierigkeiten bestchen beim gemischten Verfahren nicht minder als 
beim reinen Privatbahn- oder Genehmigungsverfahren. Nur wenn die 
öffentliche Gewalt das Netz ganz in ihrer Hand hat, sind sie zu ver- 
meiden. 
Bei den Eisenbahnen, die nicht lediglich örtlichen Bedürfnissen 
dienen, zeigt sich die Unwirtschaftlichkeit des Wettbewerbs mehrerer 
Linien und des Nebeneinanderbestebens mehrerer Verwaltungen in 
besonders scharfer Weise. Sofern nicht das Verkehrsbedürfnis mehrere 
Linien erfordert und sie voll beschäftigt, wiederholen sich bei solchem 
Wettbewerb Anlage-, Ausrüstungs-, Unterhaltungs- und Betriebskosten, 
und sie sind bei Eisenbahnen sehr erheblich. 
Uber die Anlagekosten sind schon weiter oben Durchschnittsangaben 
für eine Reihe von Ländern gemacht worden. Im einzelnen weichen natürlich 
die Anlagekosten von dem Durchschnitte sehr erheblich ab, auch in dem- 
selben Lande, da sie von den Geländeverhältnissen, den Kosten des 
Grunderwerbs, der Ausstattung der Bahn, dem Stande der Preise und 
Löhne während der Bauzeit usw. abhängen. 
In Deutschland war 1910 auf den vollspurigen Bahnen das gesamte ver- 
wendete Anlagekapital 17,1 Millarden M. (292753 M. für 1 km). Die 
Unterbaltung und Erneuerung des Oberbaues verschlang 1910 im ganzen 
202 Mill. M. (1706 M. für 1 km sämtlicher Geleise), die Unterhaltung, 
Erneuerung und Ergänzung der baulichen Anlagen 334 Mill. M. Die ge-
	        
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