282 III. Abschnitt. Der Eisenbahnverkebr.
Als dauerndes Vorgehen ist das nicht vorgekommen, wohl aber als Vor-
bereitung für den Ubergang zum wirklichen Staatsbahnwesen.
Das Staatsbahnwesen beruht auf der schon erörterten inneren Not-
wendigkeit, das Eisenbahnwesen in einer Hand zusammenzufassen, und
hat sich neuerdings immer mehr Geltung verschafft. In reiner Form
erscheint es da, wo Eigentum und Betrieb der Bahnen oder der Haupt-
masse der Bahnen in den Händen das Staates liegt, wie es u. A. in
Preußen, in Bayern, in Sachsen, in Württemberg, in Baden, in Däne-
mark, in Norwegen usw. der Fall ist. Grundsätzliche Bedenken gegen
ein solches Vorgehen bestehen, wie schon früher ausgeführt, tatsächlich
nicht. Von einer Unfähigkeit des Staates für diese Aufgabe kann keine
Rede sein. Die früheren Auffassungen über Vorzüge und Schwächen
des reinen Staatsbahnwesens sind meist aufgegeben worden. Von Be-
deutung sind nur folgende Gesichtsbpunkte. Das reine Staatsbahnwesen
beseitigt die unwirtschaftlichen Wirkungen des Weitbewerbes vollkommen.
Es sichert am besten die volle Einheitlichkeit der Betriebsordnung und
des Betriebsdienstes. Die Durchführung einer allgemeinen Beförderungs-
pflicht ist beim reinen Staatsbahnwesen am besten möglich, weil sich
widerstreitende Erwerbsrücksichten der einzelnen Linien nicht entgegen-
stellen. Der Ausgleich zwischen einträglichen und nicht einträglichen
Linien tritt bei diesem Vorgehen vollkommen ein. Daher kann der
Staat auf den vorhandenen Linien die allgemeinen volkswirtschaftlichen
Bedürfnisse — namentlich bei der Tarifgestaltung — wahren und auch
am chesten das Netz planmähig ausbauen und über alle Gebicte des
Landes hin verzweigen. Bei dem Ausbau der Linien kommt einem
Staate mit gesunden Finanzen der Umstand zugute, dab seine sicheren,
aber niedrig verzinslichen Papiere gerade in stilleren Zeiten bevorzugt
werden, in denen Aktiengesellschaften weniger leicht das erforderliche
Kapital zusammenbringen können. Bei einem solchen Staate ist als
günstige Wirkung des Staatsbahnwesens auch zu verzeichnen, dabß die
Eisenbahnpapiere nicht zu Zwecken des eigentlichen Börsenspiels benutzt
zu werden pflegen.
Alle diese Erwägungen lassen es an sich als wünschenswert und
zweckmähig erscheinen, das reine Staatsbahnwesen anzunehmen, voraus-
gesetzt, daßb der Staat über einen tüchtigen und zuverlässigen Beamten-
stand und über geordnete Finanzen verfügt, und daß die Regierung stark
genug ist, sich dem Drucke zufälliger Mehrheiten der Volksvertretung zu
entziehen, und daß sie es versteht, dem Einnisten einer engherzigen
Beamtenwirtschaft vorzubeugen.
Das Staatsbahnwesen kann auch in abgeschwächter Form erscheinen
derart, dabß der Staat den Betrieb seiner Linien Erwerbsgesellschaften
verpachtet. Diesen Weg ist beispielsweise ltalien bis vor kurzem
gegangen. Dem italienischen Staate gehören alle Hauptbahnen