Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

4. Kapitel. Die Aufgaben d. öffentl. Gewalt gegenüber deu Eisenbahnen. 285 
oder, soweit sich davon eine genügende Befriedigung des Verkehrs- 
bedürfnisses erwarten läßt, Erwerbsgesellschaften überlassen können. 
Die örtlichen Strabenbahnen werden deshalb, soweit sie nicht Erwerbs- 
gesellschaften überlassen werden, Gegenstand der Gemeindetätigkeit sein 
müssen. Wird die Aufgabe den Erwerbsgesellschaften überlassen, und 
ist nach Lage der Sache nicht zu erwarten, daß diese ohne Uonter- 
stützung aus öffentlichen Mitteln die Anlagen schaffen würden, so würde 
wiederum die Gemeinde zur Gewährung der Unterstützung berufen sein. 
Auf alle Fälle hat sie sich Einfluß zu sichern, um das Gesamtbedürfnis 
der Gemeinde in bezug auf den inneren Verkehr zu wahren. Der Um- 
stand, deaß die örtlichen Strabßenbahnen in den Strabenkörper eingefügt 
werden müssen, gibt eine hinreichende Handhabe dazu. 
Bei den Kleinbahnen, die über den engsten örtlichen Bereich binaus- 
greifen, liegt die Sache nicht gleich einfach. Die nächstberufene Stelle 
zur Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben sind hier ohne Frage die 
Kreise; sie werden jedenfalls bei der Wahl der Linien, der Ausstattungs- 
art und dgl. in erster Reihe mitzuwirken haben. Bei manchen Klein- 
bahnen wird aber das Bedürfnis bestimmter Gemeinden so unmittelbar 
berührt, daß sie an der Aufbringung der Anlagekosten zu beteiligen sind. 
Bei anderen wird mehr das Bedürfnis der Provinz oder größerer Teile 
der Provinz betroffen, sodaß nötigenfalls die Provinz zum Eingreifen 
berufen ist. Aber auch da, wo das Bedürfnis der Provinz nicht unmittel- 
bar in Frage kommt, mubß doch gerade ihr wesentlich daran liegen, daß 
das für Landwirtschaft und Gewerbe so wichtige Kleinbahnwesen genü- 
gend gefördert wird. Sind Kreise oder Gemeinden nicht kräftig genug, 
Kleinbahnen in ausreichender Zahl und Art zu schaffen, und finden sich 
auf der anderen Seite nicht genügend Erwerbsunternehmer, oder besteht 
ein Anlaß, die Erwerbsgesellschaften vom Kleinbahnwesen fernzubalten, 
dann erwächst für die Provinz die Verpflichtung, mit Provinzmitteln 
helfend einzugreifen. Namentlich solchen von der Natur nicht besonders 
begünstigten Bezirken, die aus Mangel an geeigneten Verkehrsmitteln 
nicht in der Lage sind, ibre vorhandenen Möglichkeiten zur Güter- 
erzeugung voll auszunutzen, wird unter Umständen die Provinz bei- 
springen müssen. Der Staat als solcher wird bei Kleinbahnen — 
abgesehen von seinem Oberaufsichtsrechte — ebenfalls nicht selten in 
die Mittelbeschaffung einzugreifen haben, um die Entwickelung des Klein- 
bahnwesens zu fördern, wie es u. a. in Deutschland in umfangreicher 
Weise geschehen ist. Ob Gemeinden, Kreise oder Provinzen den Bau 
und Betrieb selbst in die Hand nehmen oder sich auf die Anregung, 
Kapitalbeschaffung oder Kapitalbeihilfe, Beaufsichtigung und dgl. be- 
schränken sollen, ist eine Tatfrage, die sich nicht allgemein entscheiden 
läßt. Tatsächlich sind in Deutschland die Erwerbsunternehmungen in 
den Vordergrund getreten, wenn auch schon eine ganze Reihe von
	        
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