286 III. Abschnitt. Der Eisenbahnverkehr.
Kreis- und Gemeindekleinbahnen vorhanden ist. Mehrfach ist die Be-
triebsführung von den Eigentümern der Kleinbabnen auf besondere
gewerbsmähige Betriebsunternehmungen übertragen.
Bei Nebenbahnen, die nach Lage der Verbältnisse schmalspurig
ausgebaut werden können, ist zum Teil für den Staat ein Anlab gegeben,
Bau und Betrieb selbst in die Hand zu nehmen, zumal solche Bahnen
nicht selten aus dem Banne der einzelnen Provinz heraustreten. Will
der Staat diese Aufgaben Erwerbsgesellschaften überlassen, was z. B. in
Deutschland nicht selten geschehen ist, so bleibt selbstverständlich die
Ausübung des allgemeinen Aufsicbtsrechts des Staates notwendig.
Noch mehr gehen Nebenbahnen, die nach Lage der ob#galtenden
Verhältnisse vollspurig auszubauen sind, über den Bedürfniskreis der
einzelnen Provinz hinaus. Sie erscheinen als notwendige Ergänzung
des Hauptbahnnetzes, sodal bier in der Regel die Aufbringung der
Mittel, die Wahl der Linien, der Ausstattung und der Betriebsweise, sowie
die Ordnung und Leitung des Betriebsdienstes usf. dem Staate gebührt.
Das Verhalten des Staates zu dem Hauptbahnnetze war nicht immer
das gleiche, weil die klare Erkenntnis von der Bedeutung der Eisen-
bahnen nicht von vornherein bestehen konnte. Auch von Land zu Land
machen sich Unterschiede bemerkbar, die mit den besonderen Verhält-
nissen und Gewohnheiten der einzelnen Länder zusammenhängen. Im
ganzen hat sich aber der Staatsbahngedanke, der schon in den ersten
Zeiten der Lokomotiveisenbahnen auftauchte, zu immer größerer An-
erkennung durchgekämpft.
England, das zuerst Eisenbahnen im neuen Sinne schuf, war seit
langer Zeit freie Selbstbestimmung gewohnt und staatlicher Betätigung
im Erwerbsleben abgeneigt. England hatte überdies eine starke Kapital-
kraft und eine hochentwickelte Technik zur Verfügung. Ein staatliches
Eisenbahnwesen wollte man hier nicht und brauchte man auch nicht.
Der Staat überließ das dem privaten Unternehmungsgeiste, der durch
Vermittelung von Erwerbsgesellschaften sich auch bald mit Eifer diesem
Zweige wirtschaftlicher Tätigkeit widmete. Mit staatlichen Beihilfen,
mit Zinsgewährleistung und ähnlichen Mitteln wurde vom Staate nicht
eingegriffen. Die zahlreichen kleineren Gesellschaften, die zunächst
entstanden waren, schlossen sich später auf dem Wege der Verschmelzung
zu wenigen großben Gesellschaften zusammen, die vorwiegend nach kauf-
männischen Gesichtspunkten verwaltet werden. Der Staat legte erst 1838.
den Bahnen Leistungen für den staatlichen Postdienst auf und erlangte
erst durch das Gesetz vom 9. August 1844 die Befugnis zur zeitweisen
Abänderung und Herabsetzung der Tarife und ein staatliches Rück-
kaufsrecht. Durch das Gesetz vom S. Mai 1845 wurden die bisher
getroffenen Bestimmungen über Genehmigung und Betrieb der Eisen-
bahnen zusammengefaßt. Spätere Gesetze von 1954, 1873, 1888 und 1896