Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

4. Kapitel. Die Aufgaben d. öffentl. Gewalt gegenüber den Eisenbahnéen. 2933 
der durch den Eisenbahndienst verursachten Lasten an den Umfang der 
beanspruchten Eisenbahnleistungen völlig fehlen, und das würde zu sehr 
empfindlichen Ungleichbeiten und Unregelmähigkeiten führen. Sie 
würden der Bevölkerung besonders scharf ins Bewubßtsein treten, da 
gerade bei diesem Grundsatz eine übertriebene Steigerung der Benutzung 
der Eisenbahnen eintreten mübßte, also die Anlage- und Betriebskosten 
stark erhöht würden. 
Eines Entgelts für die in Anspruch genommene Eisenbahnleistung 
durch deren Empfänger bedarf es also unter allen Umständen. Aus der 
Gewährung eines Entgelts für bestimmte staatliche Dienstleistungen ent- 
wickelt sich der Grundgedanke der Gebühren. Man hat wohl befür- 
wortet, im Eisenbahnwesen in den erhobenen Gebühren nur eine Deckung 
der Kosten des laufenden Betriebs und der Erhaltung der Eisenbahnen 
anzustreben, dagegen die Kosten der Verzinsung und Tilgung des An- 
lagekapitals aus den allgemeinen Staatsmitteln zu bestreiten und auf 
Erzielung von DOberschüssen ganz zu verzichten. Zur Rechtfertigung 
eines solchen Verfahrens wird darauf hingewiesen, dalßß) die An- 
stalten, bei denen Gebühren erhoben werden, stets zu einem wesent- 
lichen Teile dem allgemeinen Bedürfnisse entspringen, und da deshalb 
die Gesamtheit selbst für Schaffung und Bestanderhaltung der Anstalten 
zu sorgen babe, der Benutzer der Anstalten aber in jedem Falle nur 
einen Teil der Gesamtkosten zu decken habe. Das liegt keineswegs, 
im Wesen der Gebühren. Sie sind unmittelbare Entgelte für bestimmte 
staatliche Dienstleistungen, und dem widerspricht es in keiner Weise, 
daß sie auf die volle Kostendeckung abzielen. Bei den großen Anlage- 
kapitalien der Eisenbahnen würde überdies bei solchem Vorgehen ein 
sehr bedeutender Teil der Lasten auf die Gesamtheit abgewälzt werden. 
Bei den preubischen Staatsbahnen sind z. B. für Verzinsung der Eisen- 
bahnschulden jährlich über 200 Mill. M. (1910: 250.9 Mill. M.) und zur 
planmähigen Tilgung dieser Schulden über 40 Mill. M. (1910; 45,4 Mill. M.) 
jährlich aufzuwenden. Wäre das durch den Eisenbahnverkehr nicht 
selbst aufgebracht, so bätten z. B. 1910 über 290 Mill. M. aus anderen 
Staatseinkünften, d. h. in der Hauptsache aus Steuern, in Preußen aus 
direkten Steuern, beschafft werden müssen, für die jetzt die Steuerkraft 
nicht in Anspruch genommen zu werden braucht. Das wäre eine sehr 
fühlbare Steigerung der Steuerlast, und sie würde aus den schon oben 
angeführten Gründen zu starken Unregelmähigkeiten führen. 
Das mindeste, was man von einer groben Verkehrsanstalt, wie die 
Eisenbahnen des Staates sie darstellen, unter allen Umständen fordern 
mub, ist nach den im I. Abschnitt entwickelten allgemeinen Grundsätzen 
die volle Deckung aller Eigenkosten, d. h. also der laufenden Betriebs-, 
Verwaltungs-, Unterhaltungs- und Erneuerungskosten und der Verzinsung 
und Tilgung des Anlagekapitals. Die Eisenbahnen müssen sich also
	        
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