5. Kapitel. Das Tarifwesen. 317
handenen Anlagen, der Betriebsmittel und des Betriebs- und Verwaltungs-
personals nicht hinausgebt. Wird diese Grenze überschritten, so erfahren
die Grundkosten wegen der notwendigen Erweiterung der Anlagen,
Betriebsmittel und Personenbestände eine plötzliche Erhöhung, die zu-
nächst die Selbstkosten der einzelnen Leistungen fühlbar steigert, sich
dann aber mit der weiteren Ausdehnung der Eisenbahnleistungen bis zu
der nunmehr weiter hinausgeschobenen Grenze der Leistungsfähigkeit im
ganzen wenig vergröbßert. Innerhalb der Grenze der Leistungsfähigkeit
werden also die Selbstkosten der einzelnen Eisenbahnleistung mit der
Zunahme des Verkehrs geringer.
Im übrigen sind die Selbstkosten der einzelnen Leistungen für jede
Strecke verschieden, sodaß man auch aus diesem Grunde darauf ver-
zichten muß, die Selbstkosten der einzelnen Leistung bei der Tarif-
bemessung zu berücksichtigen. Man kann auberdem solche Berech-
nungen nur auf die Vergangenbeit stützen, während man für die Zu-
kunft nur Schätzungen vorzunehmen vermag. Im allgemeinen begnügt
man sich damit, auf Grund der Erfahrungen einen durchschnittlichen
Safz an Selbstkosten als regelmähige Untergrenze anzuschen. Im Jahre
1899 hat der preubische Minister der öffentlichen Arbeiten die durch-
schnittlichen Selbstkosten für 1 tkm bei Massengütern mit 1,25 Pf. als
Betriebskosten angegeben und mit 1,9 Pf. als Betriebskosten und Kapital-
verzinsung.
Im ganzen ergibt sich hieraus die Forderung, die Beförderungs-
preise der Eisenbahnen so zu bemessen, dalt ihr Gesamterträgnis min-
destens nicht hinter der Gesamtsumme der notwendigen Grund- und
Arbeitskosten im obigen Sinne zurückbleibt. Das wird man nur erreichen
können, wenn der Verkehrsumfang während der Herrschaft des Tarifs
nicht hinter den Erwartungen zurückbleibt. Dabei kommt die Erfahrung
mit zur Geltung, dast die Höhe der Beförderungspreise selbst die Häufig-
keit der Verkehrsleistungen beeinflußt, wie denn überhaupt die Preis-
höhe einen Einfluß auf den Umfang der Nachfrage auszuüben pflegt.
Allerdings gilt das nur in gewissen Grenzen und unter bestimmten
Voraussetzungen. Das Verhältnis der Beförderungspreise zu dem zu
erzielenden Gesamtpreise der betreffenden Gegenstände spielt hier binein;
e geringer die Bedeutung der Beförderungskosten gegenüber dem Ge-
samtpreise ist, desto weniger ist auf die erwähnte Wirkung zu
rechnen. Weiter kommt in Betracht, ob nach der Lage der natürlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse überhaupt eine Ausdehnungsfähigkeit
des Verkehrsbedürfnisses erwartet oder ausgeschlossen werden kann,
je nachdem die Tarife niedriger oder höher gestellt werden. Wo die
allgemeinen Verbältnisse Anhaltspunkte dafür geben, daß durch niedrige
Tarise eine entsprechende Steigerungsfähigkeit des Verkehrs zur Wir-
Kkung gebracht werden kann, hat die Tariffestsctzung häufig diesem Ge-