368 IV. Abschnitt. Der Wasserverkehr.
die Möglichkeit, den durchgehenden Kanalverkehr überhbaupt zu er-
schweren usw. Ein Gesetz von 1858 untersagte den Eisenbahugesell-
schaften, ohne Zustimmung des Parlaments Kanäle zu kaufen oder zu
pbachten. Im Jahre 1871 wurde den Eisenbahngesellschaften zur Pflicht
gemacht, ihre Kanäle in gutem Zustande zu erhalten. Die Mibstände
verschwanden gleichwohl nicht und haben die Volksvertretung wieder-
holt beschäftigt. Ein Gesetz von 1888 setzte einen besonderen Aus-
schuß ein zur Behandlung und Entscheidung der Beschwerden über
das Verhalten der Eisenbahngesellschaften gegenüber den Kanälen.
Im Jabre 1906 wurde ein königlicher Kanalausschub (Royal Commission
#on Canals and W’aterways) aus 19 Mitgliedern eingesetzt, um über das
Wasserstrabenwesen überhauptauf Grund besonderer Untersuchungen zu be-
richten; zu den der Prüfung unterworfenen Gegenständen gehören auch
die Ursachen, welche die Ausführung von Kanalverbesserungen durch die
Erwerbsunternehmungen verhindert haben. Diese Reibungen zwischen
Kanälen und Eisenbahnen erklären sich daraus, daß sowohl die Eisen-
bahnen als auch der gröhte Teilder Kanäle Erwerbsunternehmungen gehören,
und daß die Einmischung des Staates in diese Dinge grundsätzlich so
viel als möglich vermieden wird. Ob von der Arbeit des genannten
Ausschusses wirkliche Verbesserungen ausgehen werden, wie sie von
der Mehrheit der Mitglieder in dem Berichte sowohl in bezug auf Ver-
waltung als auch in bezug auf Ausbau und Verbesserung des Wasser-
straßbennetzes vorgeschlagen sind, muß abgewartet werden. Der Minder-
heitsbericht lehnt diese Vorschläge sehr entschieden ab. Gleichwohl
sind gerade in England, wie noch genauer zu erwähnen sein wird, wich-
tige Neuerungen in bezug auf Uberwindung von Höhenunterschieden aus-
findig gemacht und dadurch dem neuesten Kanalbau auch auf dem Fest-
lande wichtige Dienste geleistet worden.
In Deutschland hat im 17. und 18. Jahrhundert nur Brandenburg-
Preußßen Kanäle geschaffen. Zwischen Havel und Oder batte schon
JoladNN StelsMUxD einen Kanalweg herstellen lassen, der aber im
30 jährigen Krieg zerfiel. Der Große Kurfürst — auch hierin ein weit-
blickender Mann — begann den Kanalbau mit dem Friedrich-Wilbelm-
Kanal zwischen Spree und Oder (1669), und seine Nachfolger folgten
seinem Beispiele. So wurde 1697 der Pregel mit dem Niemen, 1745
die Havel mit der Elbe (Plauenscher Kanal), 1746 die Havel mit der
Oder, 1774 die Netze mit der Brahe (Bromberger Kanal) verbunden usw.
Im 19. Jahrhundert drängten die blendenden Erfolge der Eisenbahnen
auch hier zunächst den Anteil an den Wasserstraßen und besonders an
den Kanälen zurück. Inzwischen hat man die Bedeutung guter Wasser-
straben neben den Eisenbahnen in weiten Kreisen erkannt. Die Er-
fahrungen von 1864, 1866 und 1870/71 hatten das ibrige dazu beige-
tragen, da sie die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Eisenbabnen hatten