2. Kapitel. Der Entwickelungsgang der Verkehrsvervollkommnung im allgemeinen. 25
wobl in bezug auf die zu bewegenden Mengen als auch in bezug auf
die zu überwindenden Entfernungen. Die groben Fortschriüte in der
„Uberwindung der Entfernungen verknüpfen sich auf das engste mit der
Entwickelung des Völker- und neuerdings des Welthandels, der seiner-
Seits wieder nicht loszulösen ist von der Entwickelung der Menschheit
zu höheren Lebens- und Daseinsformen und Anschauungsweisen.
Auch in diesem Zusammenhange zeigt sich klar, dabß nichts mehr
den wahren Bedürfnissen der Menschheit entgegensteht, als völlige
Gleichheit aller Menschengesamtheiten und aller Einzelmenschen. Nur
die Ungleichbeit der Menscheu machte die Arbeitsteilung und den
Tauschverkehr an sich möglich, und nur die Ungleichheit der Stämme
und Völker konnte diese Arbeitsteilung und diesen Tauschverkehr über
die engen Grenzen des einzelnen Stammes und Volkes hinaus erweitern.
Es ist von unermeblichem Werte für die aufsteigende Entwickelung der
Aenschheit überhaupt und für die Verkehrsentwickelung und -Vervoll-
kommnung im besonderen gewesen, daß wie unter den einzelnen Men-
schen, so auch unter den verschiedenen Stämmen und Völkern einige
den anderen überlegen waren und sich deshalb zur führenden Rolle
aufzuschwingen vermochten. Hätten sich alle gleichen Schrittes ent-
wickelt, niemals wäre die Herausarbeitung aus den Urzuständen zu
höheren Lebens- und Daseinsformen so weit vorgeschritten, als es der
Fall ist, und niemals wäre ein 80 allumspannender und mit so viel-
Sscitigen und vollkommenen Mitteln arbeitender Weltverkehr möglich ge-
wesen, wie wir ihn heute als etwas Selbstverständliches ansehen.
Lange Zeit hindurch drängte sich die allgemeine und die Verkehrs-
centwickelung auf und um das Mittelmeerbecken zusammen. Denn an
den Gestaden dieses Meeres wohnten schon frühzeitig diejenigen Völker,
welche als Träger des Fortschreitens angesehen werden müssen. Phönizier,
Griechen, Karthager lösten sich hier in den ersten Jahrtausenden, die der
geschichtlichen Forschung zugängig sind, in der Arbeit an der Mensch-
heitsentwicklung ab. An ihre Stelle traten später die Römer.
Nicht Zufall war es, daß der erste Handelsverkehr der Völker sich
auf den natürlichen Verkehrswegen der Flüsse und mehr noch zur See
vollzog. Die Küstenvölker wurden zuerst auf den Nutzen und Wert
der Durchmessung von Entfernungen bingewiesen, und das Meer bot
Sich ihnen von selbst als geeignetstes Mittel der Massenbeförderung dar.
Der Verkehr zu Lande erforderte viel größere und schwierigere Ver-
anstaltungen. Auf dem Lande mulhfte, um gröberen Verkehr zu be-
wältigen, erst die Fahrbahn und das Fahrzeug geschaffen und die nötige
Triebkraft gefunden werden. Auf dem Meere war die Fahrbahn sofort
gegeben und noch dazu eine Fahrbahn, die einen viel geringeren Kraft-
aufwand bedingte. Sobald man die treibende Kraft des Windes erkannte
und in dem Nordstern einen zuverlässigen Führer fand, konnte die