2. Kapitel. Entwickelungsgang. 381
So unsicher diese Zahlen auch sind, so zeigen sie doch, welche
Länder am dichtesten von schiffbaren Wasserstraßen durchzogen sind.
Die Niederlande und Belgien auf der einen Seite, Spanien und Kanada
auf der anderen bezeichnen die weit auseinander liegenden Gegensätze.
Grobbritannien, Deutschland, Frankreich, Norwegen und Schweden haben
noch eine günstige Stellung. Da die Leistungsfähigkeit der Wasser-
strabßen sehr verschieden ist, kann weiteres aus diesen Zahlen nicht ge-
schlossen werden. Man mühte die Wasserstraßen der einzelnen Länder
nach ihrer Leistungsfähigkeit, insbesondere nach der Größe der Fahrzeuge
ordnen, die noch verkehren können, und diese Zahlen mit der Gesamt-
fläche in Beziehung setzen. Bei dem lebhaften Anteil, der jetzt dem
Wasserstraßbenwesen entgegengebracht wird, wäre es erwünscht, daß die
Fachverbände und die Fachpresse diese Aufgabe fördern.
Auch die Benutzung der Meeresstrahben reicht bis in die ältesten
Zeiten zurück. Allerdings waren es noch nicht die großben Weltmeere,
die man befuhr, sondern die Binnenmeere und die großen Meerbusen.
Schon um die Mitte des 4. Jabrtausends v. Chr. hat es einen Schiffahrts-
verkehr zur See gegeben. Was die Menschen veranlabßte, sich auf das
Meer zu wagen, wird immer in Dunkel gehüllt bleiben. Aus inneren
Gründen ist es wahrscheinlich, dab große Gebirgszüge, die den Küsten-
saum vom Hinterlande trennten, und die Vorlagerung großer Inseln vor
eine buchtenreiche Küste den Gedanken geweckt haben, nach dem Meere
hin die Tätigkeit auszudehnen. Bei den Phöniziern, bei den Etruskern,
die ja lange vor den Römern die See befuhren, in Südarabien, in China
usf. scheinen solche Beweggründe in Verbindung mit der Eigenart der
Bevölkerung mitgewirkt zu haben.
Das alte Kulturvolk der Agypter dürfte sich schon in der See-
fahrt betätigt haben. Zwar wird angenommen, daß die alten Agypter
aus religiöser Scheu vor dem Meere und wegen ihres Holzmangels ihre
an sich günstige Lage zur See nicht verwertet haben. Aber schon 2300
V. Chr. ist, wie Inschriften bezeugen, unter HANNU eine ägyptische Flotte
nach dem Punalande (wobl Südwestarabien) gesegelt. Indes ist doch
die altägyptische Seefahrt schwerlich besonders entwickelt gewesen, und
der größte Teil des Verkehrs zwischen Agypten und nördlicheren Gebieten
lag aller Wahrscheinlichkeit nach in den Händen der Phönizier. Der
Aufschwung der ägyptischen Seefahrt unter NECHO und seinen nächsten
Nachfolgern ist nicht von dauernder Wirkung gewesen.
Eine weltgeschichtliche Bedeutung als Seefahrer gewannen zuerst
die eben genannten Phönizier. Ihre ursprüngliche Heimat soll das Puna-
land an den südlichen Küsten des Roten Meeres, nach anderen die Küsten
des Persischen Meerbusens gewesen sein. Der Sprache nach gehörten
sie zu den Semiten. Die Phönizier beherrschten den Handelsverkehr
im Roten Meere, dehnten aber auch schrittweise ihre Handelstätigkeit und