2. Kapitel. Entwickelungsgang. 399
Jahren eine ganze Reihe von Schiffen ausgerüstet worden, wobei sich
Kohlenersparnisse von 14—21 v. H. gegenüber Sattdampfmaschinen er-
gaben. Die größte Ventil-Heibdampfmaschine — auf dem in Bremen
gebauten Dampfer „Answald“ — hat auf längeren Seereisen einen
Kohlenverbrauch von von 0,529 kg für die Pferdekraftstunde erzielt.
Die Verwendung des Heißdampfes ist nicht auf die Kolbenmaschinen
beschränkt; sie kann auch bei den Dampfturbinen in Frage kommen,
die neuerdings auf Dampfschiffen verwendet werden. Die Dampfturbine
hat an sich und ihrem Wesen nach eine sehr grobe Umdrehungsge-
schwindigkeit. Das gerade stand ihrer Verwendung in der Schiffahrt
entgegen, weil bei solchen Umdrehungszahlen die Schraube des Schiffes
emen mit Wasserstaub gefüllten Hoblraum bildet und dadurch viel Kraft
für die Vorwärtsbewegung verliert.
Die schwierige Aufgabe, die große Umdrehungsgeschwindigkeit
ohne Beeinträchtigung der ausgiebigen Ausnutzung der Dampfkraft so-
weit herabzusetzen, daß die Dampfturbine für den Schiffsbetrieb ver-
wendbar wurde, ist dem Belgier C. A. PARSONS gelungen. Im Jahre
bildete sich in England eine Gesellschaft, um die Verwendbarkeit
der Dampfturbine im Schiffsbetriebe festzustellen. Ihr Versuchsboot
„Turbinia“ hatte anfangs wenig Erfolg gehabt, aber 1896 und 1897 nach
dem Umbau der Turbinenanlage So günstige Ergebnisse gezeitigt, daß
1898 die englische Kriegsflottenverwaltung an die Turbinenverwendung
heranging. Auf Handelsschiffen beginnt die Verwendung der Dampf-
turbine 1901 (Personendampfer King Edward, der auf dem Clyde ver-
kehrt). Seitdem hat sich die Verwendung der Dampfturbine im Schiff-
bau ausgebreitet. Im Jahre 1905 machte zum erstenmal ein Turbinen-
dampfer „Vitorian“, der für den englisch-kanadischen Postdienst be-
stimmt ist, eine Fahrt über das Atlantische Meer. Neben der PARSONSSchen
Turbine sind auch andere Bauarten in Gebrauch gekommen, und an
der Weiterverbesserung wird emsig gearbeitet.
Die Dampfturbine hat in bezug auf den Kohlenverbrauch einen
Fortschritt gegenüber den hochentwickelten Kolbendampfmaschinen nicht
gebracht; aber sie vermeidet die bei diesen unausbleiblichen starken
Erschütterungen des Schiffskörpers, braucht wenig Schmierstoff, lähßt.
sich schneller betriebsfertig machen, ist einfacher zu bedienen und
braucht weniger Raum. Das alles sind wichtige Vorzüge.
Nach dem gesagten bat sich die Verwendung des Dampfes durch
fortgesetzte Verbesserung der Maschinenbauart und durch die hier nicht
näher zu besprechenden Fortschritte im Kesselbau auf eine wesentlich
höhere Stufe gehoben, als im Anfange des Dampfschiffwesens möglich
war. Unter den Triebkräften der Binnen- und Seeschiffahrt steht der
Dampf jetzt an erster Stelle. In der Elektrizität ist ihm bis jetzt eine Neben-
bublerin von Bedeutung nicht erwachsen. Im Seeverkehr trifft die Ver-