2. Kapitel. Entwickelungsgang. 403
Dabß die Umgestaltung der Triebkräfte auch Bauart, Form, Leistungs-
fähigkeit und Größe der Fahrzeuge wesentlich beeinflussen mubte, ver-
steht sich von selbst. Sowohl die Binnen- als auch die Seeschiffe haben
sich im Laufe der Zeit gewandelt. Am augenfälligsten tritt das bei den
Seeschiffen zutage.
Die Aältesten Schiffsdarstellungen sind von den Agyptern binterlassen
worden. Diese Abbildungen zeigen schon die Verbindung von Ruder-
und Segelschiff, Die Phönizier hatten ursprünglich mehr rundliche
Fahrzeuge, gingen aber später zu lang gebauten Kielfahrzeugen über.
Die Einzelheiten der Bauart sind nicht bekannt.
Uber die Bauart der Schiffe der Griechen und Römer sind wir
noch nicht vollständig aufgeklärt. Die Griechen hatten im 9. und S. Jahr-
hundert v. Chr. schmaler gebaute Kriegs- und breiter gebaute Last-
schiffe von geringem Umfange, gingen aber später zu gröberen Aus-
messungen über. Die Triören oder „Dreiruderer“ kamen gegen Ende
des S. Jahrhunderts für Kriegszwecke auf und blieben lange die herr-
schende Form. Erst im 4. Jahrhundert ist man zu Tetreren („Vier-
raderern“") fortgeschritten, denen dann die Penteren („Fünfruderer") folgten.
Letztere waren zur Zeit des ersten Punischen Krieges schon weit ver-
breitet. Vereinzelt wurden späterhin auch gröbere Schiffe, Vierzehn-
raderer, sogar Sechszehnruderer, gebaut, die freilich für den Handels-
verkehr nicht in Betracht kamen. Die größten Schiffe der Römer kamen
big auf 700—800 t Tragfähigkeit. Die Schiffe wurden mit Namen
bezeichnet (übrigens eine schon sehr alte Sitte), die bei den Griechen
alle weiblich, bei den Römern zum Teil auch männlich waren. Die Einzel--
heiten der Ausstattung, über die vielfach übertriebene Vorstellungen
bestehen, sind nur teilweise bekannt. Besonders unklar ist der Sinn
der Bezeichnung Drei-, Vier-, Fünfruderer usw. Die gewöhnliche Auf-
fassung, dab damit die Zahl der sich stockwerkweise folgenden und
gleichzeitig in Arbeit tretenden Ruderreihen angezeigt werden solle, ist
technisch unhaltbar. Man bat deshalb die verschiedensten Erklärungs-
versuche unternommen. Am glaubwürdigsten erscheint die Annahme,
daß die Bezeichnung sich nur auf die Zahl der Reihen der Ruderpforten
bezieht, daß aber in Wabrheit immer nur eine Ruderreihe bedient wurde,
und zwar je nach dem Wellengange aus den höher oder tiefer gelegenen
Ruderpforten.
Die „Wikingerschiffe“, also die Fahrzeuge der Normannen — nach
ihrer Gestalt „Drachen“ genannt —, waren verbältnismähig klein. Sie
führten ein Segel und 20—25 Ruderer als bewegende Kraft und boten
einer Besatzung von 100—200 Mann Raum, die aber nicht durch ein
Verdeck gegen Wind und Wetter geschützt wurden. Wikingerschiffe
sind in Dänemark, England, Norwegen, Westpreubßen aufgefunden worden.
Gelegentlich der Weltausstellung in Chicago 1893 wurde ein solches
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