Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

422 IV. Abschnitt. Der Wasserverkehr. 
fällt hier ganz fort. Sperrung der Schiffahrt durch ungenügende Wasser- 
stände fehlt hier völlig und durch Eis für die Hauptstraßen des Welt- 
verkehrs ebenfalls. Die Uberwindung von Höhenunterschieden, die bei 
den Binnenwasserstraßen so große und kostspielige Veranstaltungen und 
so vielfachen Zeitverlust für die Fahrzeuge bedingt, kommt für das Meer 
nicht in Betracht. Regulierungsarbeiten, wie sie auf Flüssen nötig 
sind, erscheinen beim offenen Meere ganz ausgeschlossen; nur an den 
Endpunkten der Seestraßen und zur Beseitigung der durch Landengen 
gebildeten Verkehrshindernisse muß der Mensch eingreifen. Im übrigen 
stellt ihm die Natur die Meeresstraßen unentgeltlich zur Verfügung. 
Diese Straben sind überdies von ausgezeichneter Beschaffenbeit. 
Nirgends ist der Anwendung mechanischer Triebkraft und großer Trans- 
portgefähee ein so weiter Spielraum gegönnt, nirgends kann deshalb 
auch, wie schon im I. Abschnitt gezeigt, die Massenhaftigkeit und 
Billigkeit des Verkehrs so ausgeprägt sein als hier. Die Fahrge- 
schwindigkeit ist nicht — wie bei den Binnenwasserstraßen — beengt durch 
Rücksicht auf Ufer, deren Beschädigung vermieden werden muß. Dazu 
kommt die Vielseitigkeit der Benutzbarkeit und die Möglichkeit freien 
Wettbewerbes der Frachtunternehmungen, die sich ebenfalls hier in un- 
gehemmter Entwickelung entfalten können. 
Auf niedrigen Entwickelungsstufen trennt das Meer die Völker, auf 
höheren Kulturstufen verbindet es sie und wird zu dem hervorragendsten 
Mittel des Weltverkehrs, das die Leistungen aller anderen Verkehrsmittel 
in bezug auf Massenhaftigkeit, Billigkeit, Unterbrechungslosigkeit, Viel- 
Seitigkeit weitaus übertrifft. 
Vom Meere abgeschnitten sein, ist heute eines der größten Verkehrs- 
hindernisse; eine Stellung im Weltringen kann gegenwärtig nur die 
Nation behaupten, die sich einer brauchbaren Seeküste und einer see- 
frohen und einer seetüchtigen Bevölkerung erfreut und darauf gestüzt 
mit einer ihrer Bedeutung entsprechenden eigenen Handelsflotte in den 
Weltverkehr tätig eingreift. Damit schafft sie zugleich eine wichtige 
Grundlage für die Leistungsfähigkeit der Kriegsflotte, auf die heute kein 
an das Meer grenzender großer Staat verzichten kann, wenn er nicht 
freiwillig in eine mindere Stelle einrücken will. 
Die Welthandelsflotte umfaßt 1911 nach dem oben ausgeführten 
bei Anrechnung einer Dampfer-Nettoregistertonne zu 4 Segler-Netto- 
registertonnen rund 100 Mill. Nettoseglerregistertonnen und, wenn man 
die Seglerregistertonne 1½ Gewichtstonnen zu 1000 kg gleichsetzt, eine 
Tragfähigkeit von rund 150 Mill. t. 
Daß ein solches Verkehrswerkzeug von der größten Bedeutung für 
die wirtschaftlichen Beziehungen ist, versteht sich von selbst. Welcher 
Verkehr damit tatsächlich bewältigt wird, läht sich nicht genau angeben, 
da Doppelzählungen dabei nicht zu vermeiden sind. Da jedem Schiffs-
	        
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