Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

3. Kapitel. Die volkswirtschaftliche Bedentung der Wasserstrahen. 437 
Ist die Eisenbahn unter den gegebenen Voraussetzungen schon 80 
stark mit Verkehrsaufgaben belastet, daß sie ohne kostspielige neue 
Anlagen weiteren Verkehr nicht übernehmen kann, so wird sie es als 
Entlastung und Hilfe empfinden, wenn ein Teil des Verkehrs auf die 
Wasserstrabe übergeht. 
Daß durch Binnenwasserstraßen die Eisenbahnen in irgendwie 
nennenswertem Umfange entbehrlich werden könnten, ist in allen auf- 
strebenden Volkswirtschaften ausgeschlossen. Schon die oben bezeich- 
neten Schwächen der Wasserstrabßen gegenüber den Eisenbahnen 
machen das unmöglich, und das in solchen Volkswirtschaften stark 
wachsende Verkehrsbedürfnis läht sich überhaupt nur befriedigen, 
wenn die verschiedenen Verkehrswege nebeneinander verwertet werden 
können. 
Im Personenverkehr vollends wird so großber Wert auf Schnellig- 
keit, Pünktlichkeit, Regelmäbßigkeit und Unterbrechungslosigkeit gelegt, 
daß hier die Binnenwasserwege nicht zu entscheidender Bedeutung 
gelangen können. Die an sich bei günstigem Wetter angenehmere, 
aber langsamere Personenbeförderung zu Wasser beschränkt sich deshalb 
— abgesehen von dem Ortsverkehr in wasserreichen Städten — auf 
solche Strecken, bei denen landschaftliche Schönheiten den Verkehr 
anlocken. 
Auch für die Zwecke der Heeresverwaltung und der Kriegführung 
dürften die Eisenbahnen immer eine größere Rolle spielen als die 
Binnenwasserstraben, da diese eine so rasche und pünktliche Bewegung 
von Mannschaften, Pferden, Geschützen, Schieb- und Verpflegungs- 
bedarf usw. nicht ermöglichen, wie sie in solchen Fällen geboten ist. 
Wohl aber können die Binnenwasserstraßen dadurch nützlich wirken, 
daß sie wichtige Teile des Güterverkehrs, die Rückbeförderung von 
Kranken und Verwundeten, von Gefangenen und dgl. mehr übernehmen 
und dadurch die Eisenbahnen entlasten. Denn diese sind durch den 
Aufmarsch der Heere, durch die Nachführung von Kriegsbedarf, Lebens- 
mitteln usw. in derartigen Zeiten voll in Anspruch genommen, und auf 
sie muß man kür solche Zwecke zurückgreifen, da die Schnelligkeit 
der Bewegung für den kriegerischen Erfolg von nicht geringer Be- 
deutung ist. 
Der Binnenschiffahrtsverkehr hat als Ortsverkehr und Nahverkehr 
in Orten, die von brauchbaren Wasserstraßen durchzogen sind, natur- 
gemäß Bedeutung. Für den Personenverkehr hat sich in manchen Orten, 
z. B. in Paris, Neuyork, Hamburg, ein regelmähiger und lebhakt be- 
nutzter Ortsdienst entwickelt. In anderen Orten, wie Venedig und 
Amsterdam, vollzicht sich überhaupt ein wesentlicher Teil des inner- 
städtischen Verkehrs auf den Wasserstraßen. In manchen Orten, wie 
Köln und Berlin, dient die örtliche Personenschiffahrt dem Nahverkehr
	        
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