Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

4. Kapitel. Die Aufgaben d. öffentl. Gewalt gegenüber dem Wasserverkehrswesen. 449 
vom 27. Dezember 1872, neue Fassung vom 2. Juni 1902) und ver- 
schiedene ergänzende Vorschriften in Betracht. Im übrigen muß wegen 
der sozialpolitischen Regelung auf den Band „Grundzüge der Sozial- 
politik (Leipzig 1904) in diesem Hand- und Lehrbuch verwiesen werden. 
Die Eingriffe der Staatsgewalt in die Seeschiffahrt sind hiernach 
zahlreich und mannigfaltig und in allen Staaten üblich. Dagegen ist 
der staatliche Betrieb der Seeschiffahrt nur ganz vereinzelt zu finden. 
Rumänien 2. B. hat, um den überseeischen Durchgangsverkehr zwischen 
Europa und den östlichen Gebieten über Constanza zu leiten, einen 
staatlichen Personen- und Postdampferdienst und einen Frachtdampfer-- 
dienst eingerichtet. Man kann sich auch sonst gelegentlich Verhältnisse 
denken, die den Staat veranlassen können, eine Postdampferlinie oder 
eine andere regelmähige Schiffahrtsverbindung zu übernehmen, wenn 
sie für das Gesamtbedürfnis notwendig ist, aber von Erwerbsunter- 
nehmungen auch bei staatlicher Beibilfe in der erforderlichen Weise 
nicht durchgeführt wird. Aber das werden immer Ausnahmen sein. 
Der Seeschiffahrtsbetrieb kann zwar durch Verbandsbildung derart be- 
einflußt werden, daß sich eine Beherrschung bestimmter Verkehrsgebiete 
durch den Verband ergibt. Von Dauer wird aber ein solcher Zustand 
schwerlich sein, weil er dem Aufkommen neuer Betriebe und der 
stärkeren Betätigung der Trampschiffahrt Vorschub leistet. Im all- 
gemeinen ist also der Seeverkehr vom Wettbewerbe beeinflultt und wird 
es bleiben, auch wenn dessen Ubermaß durch freiwillige Selbstbeschrän- 
kungen im Wege der Verbandsbildung und der Verständigung mit den 
Wettbewerbern eingeschränkt werden sollte. Der Seeschiffsverkehr bat 
mit starken Verlustgefahren und rasch wechselnden Verbältnissen zu 
rechnen und erfordert viel kaufmännisches Geschick und viel schnell- 
bereite Entschlußkraft, um imn jedem Augenblicke der Sachlage ge- 
wachsen zu sein. Der öffentliche Betrieb, so sehr er sich für den 
Eisenbahnverkehr bewährt hat, würde hier doch vor Aufgaben gestellt 
werden, für die er weniger geeignet ist als der vom Erwerbssinne ge- 
leitete nichtöffentliche Betrieb. Uberdies würde im Falle eines Seekriegs, 
der ohnebin zu vielfachen Störungen und Belästigungen der Fahrzeuge 
der nichtbeteiligten Staaten Anlaß gibt, der Verkehr der staatlichen See- 
schiffe ständig die Gefahr einer Ausdehnung des Krieges mit sich 
bringen und, soweit der schiffsbesitzende Staat selbst Kriegspartei ist, 
der Unterbindung seines Seeverkehrs die beste Handbabe und die ein- 
fachste Rechtfertigung geben. 
Was den Aufbau der Wasserverkehrsverwaltung anlangt, so scheidet 
sich wiederum die Seeschiffahrt deutlich von der Binnenschiffahrt. Bei 
der Seeschiffahrt drängt alles auf einheitlich geordnete Zentralverwaltung: 
die Notwendigkeit internationaler Abmachungen, die Einheitlichkeit der 
Schiffahrtszeichen und des Signalwesens, die Ausbildung der Schiffer, 
van D#t Bononr, Verkehrswesen. 2. Aull. 29
	        
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