1. Kapitel. Die Aufgaben d. öffentl. Gewalt gegenüber dem Wasserverkehrswesen. 463
Anders als mit den natürlichen Meerengen steht es mit den künst-
lich angelegteen Kanälen zwischen zwei Meeren. Diese werden wenn
sie von Erwerbsgesellschaften begründet sind, selbstverständlich auf
privatwirtschaftlichen Reinertrag bewirtschaftet. Deshalb werden Ab-
gaben von den durchfahrenden Schiffen erboben, zum Teil, wie schon
weiter oben erwähnt, von beträchtlicher Höhe. Ob die Höbe der Ab-
gaben auch bei voller Anerkennung der Notwendigkeit eines Rein-
ertrags gerechtfertigt ist, kann im einzelnen Falle sehr zweifelbaft sein und
bildet, wie neuerdings beim Suezkanal, Gegenstand der Auseinander-
setzung zwischen der Gesellschaft und den Beteiligten. Den Grundsatz
selbst aber muß man anerkennen. Wenn solche Kanäle aus öffentlichen
NMitteln erbaut und vom Staate verwaltet werden, wie der Kaiser-
Wilhelm-Kanal zwischen Ostsee und Nordsee (unter Reichsverwaltung),
s0 ist die Abgabenerhebung ebenfalls gerechtfertigt, und grundsätzlich
ist auch hier gegen die Erzielung eines Reinertrags nichts einzuwenden.
Allerdings kann die Rücksicht auf die Bedeutung des Kanals für die
unmittelbaren Staatszwecke es erleichtern, nötigenfalls das Ausbleiben
des Reinertrags in Kauf zu nehmen. So glänzende Gewinne, wie sie
der Suezkanal gebracht hat, sind bei anderen Seekanälen überhaupt
nicht zu erwarten, und ein Teil von ihnen ist für die Träger der Anlage
in nicht geringem Grade verlustreich.
Bei den Sechäfen besteht allgemein der Grundsatz, dab der Staat
oder die Gemeinde die Bau- und Unterhaltungskosten der Hälen decken
durch besondere Abgaben der Schiffahrttreibenden entweder für die
Schiffe oder für ihre Ladung. Dabei ist ein Reinertrag grundsätzlich
nicht zu beanstanden, wenn er ohne Beeinträchtigung allgemeiner Ver-
kehrsbedürfnisse möglich ist. Meist begnügt man sich aber — nicht
immer aus freiem Willen, sondern unter dem Drucke der Tatsachen —
mit der vollen oder teilweisen Deckung der Selbstkosten und sieht in
der günstigen Einwirkung lebhaften Hafenverkehrs auf die volkswirt-
schaftlichen Verhältnisse des Landes einen Ausgleich. In Deutschland
ist durch Art. 54 Abs. 3 der Reichsverfassung der Grundsatz auf-
gestellt, dab in den Sechäfen die Abgaben für die Benutzung der Schilf-
fahrtsanstalten die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung er-
forderlichen Kosten nicht übersteigen dürfen. Nach dem Reichsgesetz
über den Ausbau der deutschen Wasserstraßen vom 24. Dezember 1911
wird die Vorschrift dahin geändert, dab Seehäfen wie Flußhäfen zu
bebandeln sind und für Anstalten (Werke und Einrichtungen) zur Er-
leichterung des Verkehrs mit Abgaben belegt werden können, die bei
staatlichen und kommunalen Anstalten die zur Herstellung und Unter-
haltung erforderlichen Kosten (einschl. Verzinsung und LTilgung der
Anlagekapitalien) nicht übersteigen dürfen. Hier ist also die volle
Eigenkostendeckung vorgesehen.