Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

466 IV. Abschnitt. Der Wasserverkehr. 
Übernimmt die öffentliche Gewalt nieht die Verkehrsleistung selbst, 
so leistet sie den Verkehrsunternehmern doch regelmäbig bestimmte 
Dienste an Schleusen und ähnlichen Veranstaltungen und stellt ihnen 
bestimmte Einrichtungen, die der Verkehrserleichterung dienen, zur Ver- 
fügung. Das sind Leistungen, die über die Fürsorge für die allgemeine 
Wegsamkeit hinausgehen und besondere Kostenaufwendungen verursachen. 
Auch hier ist die unentgeltliche Darbietung an die Kreise, denen der 
Nutzen daraus zufliebt, nicht zu rechtfertigen. Die volle Eigenkosten- 
deckung mubß hier in der Regel verlangt werden, um nicht allgemeine 
Mittel zugunsten bestimmter Verkehrskreise verwenden zu müssen. Ob 
man darüber hinausgehen soll, ist eine Tatfrage, die aber in Wirklich- 
keit meist in verneinendem Sinne beantwortet ist. Die deutsche Reichs- 
verfassung Art. 54 Abs. 4 ließ bisher Abgaben für Benutzung solcher 
besonderen Anstalten zur Erleichterung des Verkehrs soweit zu, als 
sie die zur Unterhaltung und „gewöhnlichen Herstellung“ erforder- 
lichen Kosten nicht übersteigen. Das war noch nicht die volle Eigen- 
kostendeckung. 
Das Reichsgesetz über den Ausbau der deutschen Wasserstraben 
und die Erhebung von Schiffahrtsabgaben vom 24. Dezember 1911 
ändert deshalb die Vorschrift dahin, dab die Abgaben für Benutzung 
der Anstalten (Werke und Einrichtungen), die zur Erleichterung des 
Verkehrs bestimmt sind, bei staatlichen und kommunalen Anstalten die 
Herstellungs- und Unterhaltungskosten (einschl. Verzinsung und Tilgung 
der aufgewendeten Kapitalien) nicht überschreiten dürfen. Gegen diesen 
Grundsatz ist nichts einzuwenden. Daß bei privaten derartigen An- 
stalten, Werken und Einrichtungen darüber binaus auch Reingewinne 
erstrebt werden, ist selbstverständlich. 
Das letztere gilt auch für die Befahrung der schiffbaren Wasser- 
straben jeder Art, sofern ihre Anlage oder Herrichtung und Verbesserung 
und Unterhaltung einer nicht öffentlichen Erwerbsunternehmung über- 
wiesen ist, wie es in Grobbritannien durchweg der Fall ist, gelegentlich 
äber auch in anderen Ländern vorkommt. Der Natur des Erwerbs- 
unternehmens entspricht das Streben nach Reingewinn. Man kann es 
auch im Wasserverkehrswesen nicht ausschalten, man kann es höchstens 
aus öffentlichen Rücksichten einschränken und an übermähiger und rück- 
Sichtsloser Betätigung bindern. 
Hiernach bleibt nur noch offen die Frage, ob und in welchem Aus- 
maße Befahrungsabgaben auf den schiffbaren Binnenwasserwegen des 
Staates oder der Selbstverwaltungskörper berechtigt sind. Hier sind zu- 
nächst die künstlichen Wassertraßen, die Kanäle zu berühren. Man 
kann sich vorstellen, daß ein Kanal hervorragende allgemeine volks- 
wirtschaftliche Bedeutung hat. Ist das der Fall, so kann es gerecht- 
fertigt sein, diese Bedeutung durch Gewährung abgabenfreier Befahrung
	        
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