Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

2. Kapitel. Die Entwickelung des Luftverkehrs. 515 
zum Fliegen mit eigener Muskelkraft ausreicht. Will der Mensch wirk- 
lich fliegen, ohne sich lediglich auf den durch eine Tragfläche herbei- 
geführten Gleitflug zu beschränken, so mub er in jedem Falle eine 
mechanische Kraft benutzen, die weit über die des Menschen binaus- 
geht. Aller Menschenflug, der mehr ist als bloßer Gleitflug, muß Kraft- 
maschinenflug sein. 
Damit erklärt es sich ohne weiteres, daß das uralte Sehnen der 
Menschen nach einer Flugbefähigung, die so zahlreichen Tierarten eigen 
war, bis in die jüngste Zeit ohne Befriedigung bleiben mubte, so viele 
Anregungen und Versuche auch gemacht wurden. Jahrhunderte lang 
wird von Vorschlägen und Flugversuchen berichtet, die alle ohne Erfolg 
blieben und bleiben muhbßten, weil sie eine hinreichend starke mechanische 
Kraft bei leichtem Maschinengewicht nicht zur Verfügung hatten. Daß 
schon 1680 BohELLI nachgewiesen hatte, der Mensch könne nicht aus 
eigener Kraft fliegen, hat nicht gebindert, immer neue Versuche zu 
unternehmen. Es kam dazu, daß bis in die 40 er Jahre des 19. Jahr- 
hunderts hinein die unmittelbare Nachahmung des Vogelflugs ins Auge 
gefabt wurde. Man erstrebte den Schwingenflug oder Flügelflug, bei 
dem durch Auf- und Abwärtsbewegen von Flügeln, den Vogelflügeln 
nachgebildet, die Vorwärts- und Steigbewegung bewirkt werden sollte. 
Diesen Gedanken zu verwirklichen, wäre — wenn überhaupt — nur denk- 
bar gewesen, wenn man Wesen und Eigenart des Vogelflugs genau ge- 
kannt hätte. Daran mubte es bis in die jüngste Zeit hinein fehlen, weil 
erst durch die Möglichkeit, in einer raschen Folge von Augenblicksbildern 
die einzelnen Bewegungen und Leistungen beim Vogelfluge zuverlässig 
festzuhalten, ein wirkliches Eindringen in die Verhältnisse herbeigeführt 
werden konnte. Soweit man aber von dem Gedanken des Flügelflugs 
abging, wie der Mathematiker PAUCro, der 1768 den Gedanken eines 
Schraubenfliegers vertrat, scheiterte man schon an der Unzulänglichkeit 
der menschlichen Kraft. 
In Wirklichkeit ist weder mit Schwingenfliegern noch mit Schrauben- 
fliegern ein Erfolg erzielt worden. Die Wirksamkeit eines Schwingen- 
fliegers setzt voraus, daß der Flügel bei der Abwärtsbewegung geschlossen, 
bei der Aufwärtsbewegung dagegen zusammengefaltet oder umgeklappt 
oder sonstwie so umgestaltet wird, daß er möglichst wenig Luftwider-- 
stand findet. Eine ausreichende technische Lösung dieser Frage ist bis- 
her nicht gelungen; auch die neueren beachtenswerten Versuche des 
Schweden WALLl haben die Lösung noch nicht gebracht. Die Er- 
setzung der Schlagflügel durch Räder, an denen Schaufelflächen an- 
gebracht sind („Radflieger"), hat den angestrebten Erfolg ebenfalls 
nicht gehabt. Die Schraubenflieger, die durch mechanisch angetriebene 
Hub- und Treibschrauben bewegt werden, oder die durch eine Schraube 
mit schiefstehenden Drehachsen Vor- und Auftrieb bewirken, sind neuer- 
33“
	        
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