Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

2. Kapitel. Entwickelungsgang. 575 
Post im heutigen Sinne des Wortes ist nicht von weitblickenden Männern 
erdacht und erfunden worden; sie konnte überhaupt nicht erfunden werden. 
Wobl aber konnten aufmerksame Beobachter des wachsenden Verkehrs- 
bedürfnisses auf den Gedanken kommen, die Unkosten der den Re- 
gierungzwecken dienenden Nachrichtenbeförderungsanstalten zu vermin- 
dern und ihre Erträge zu steigern dadurch, daß man auch die Beförderung 
von Privatnachrichten übernahm und den betreffenden Anstalten aus- 
schlieblich vorbehielt. Solche Gedanken mußten um 80 näher liegen, 
als 8sowohl bei den landesherrlichen Botenanstalten wie auch bei den 
TAxISSchen Botenkursen die Erzielung hoher Reinerträge durchaus als 
wünschenswert gelten mutte. 
Der Ubergang, der hier angedeutet ist, hat sich zwar allenthalben, 
aber nicht überall zu gleicher Zeit vollzogen. Das äubere Merkmal für 
die allgemeine Zugängigkeit der Posteinrichtung — der Name bat sich 
seit dem Ende des 15. Jahrhunderts von Frankreich aus verbreitet — 
darf in dem Aufkommen eines allgemeinen Portotarifs erblickt werden, 
der Leistuug und Gegenleistung für den Postverkehr regelt. In Frank- 
reich wurde 1627 ein solcher allgemeiner Portotarif eingeführt, in Eng- 
land 1635; für die TAxlssche Post, die „Reichs-Lehens-Post“, der sich 
wegen der Umständlichkeiten bei Beförderung eines Briefes durch mehrere 
Einzelstaaten der Handelsstand damals vielfach lieber bediente als der 
landesherrlichen Posten, ist urkundlich die Aufstellung eines Portotarifs 
nur bis 1599 zurückzuverfolgen, scheint aber schon etwas älter zu sein, 
ebenso wie in ltalien anscheinend der Portotarif schon vor diesem Zeit- 
punkt eingeführt ist. 
Die Einzelbeiten der nunmehr einsetzenden Entwickelung der Post 
als einer allgemein zugängigen Verkehrsanstalt in den verschiedenen 
Ländern können bier übergangen werden. 
Es sei nur erwähnt, daß sich seit Ende des 16. Jahrhunderts ge- 
wohnheitsmäbig das „Postregal“ entwickelte und im 17. Jahrhundert 
der Postzwang, die Verpflichtung zur Benutzung der Posteinrichtungen, 
aufkam. Die Ausbeutung des so gesicherten Regals wurde vielfach ver- 
pachtet, so z. B. in Frankreich (bis 1792), in öOsterreich (bis 1722) in 
England seit 1650 bis 1710 (für die Nebenposten bis in die zweite Hälfte 
des 18. Jabrhunderts) usw. Brandenburg, wo der Große Kurfürst einen 
Hauptpostkurs durch seine sämtlichen Länder von Memel bis Cleve an- 
legte, nahm dagegen schon 1649 die Anstalt in eigene Verwaltung und 
verteidigte im übrigen energisch seine Landespost gegenüber der Familie 
Taxs, die ein ausschliebliches Recht zur Anlage von Posten im Deutschen 
Reiche in Anspruch nahm. 
In Frankreich entwickelte sich das Postwesen einheitlich; in Eng- 
land bestand insofern eine zwiespältige Einrichtung, als die Nebenlinien 
längere Zeit verpachtet waren, während die Hauptlinien schon eher in
	        
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