578 VI. Abschnitt. Der Post- und elektrische Nachrichtenschnellverkehr.
blieb. RowAND HUL betonte in seiner berühmten 1837 erschienenen
Schrift „Postoffice reform, its importance and practicability“ diesen Punkt
scharf und schlug vor, die Brieftaxe auf 1 p. für Briefe bis ½½ Unze
ohne Unterschied der Entfernung herabzusetzten, die Taxe im übrigen
nach dem Gewicht abzustufen, durch Freimarken einzuziehen, den
Frankierungszwang auszusprechen und den Postbetrieb nach mancher
Richtung hin zu verbessern. Einen Einnahmeausfall glaubte er durch
die zu erwartende Steigerung des Briefverkehrs ausgeschlossen, betonte
aber auch, daßb wegen der Anspornung der wirtschaftlichen Kraft des
Landes ein etwaiger Einnahmeausfall bei der Post durch erhöhte Ein-
nahmen aus anderen Verwaltungszweigen gedeckt werden würde.
HI# Vorschlag fand bei der englischen Postverwaltung den
größten Widerstand, in der Bevölkerung aber den lebhaftesten Beifall.
Die Bevölkerung, in der eine eifrige Werbearbeit zugunsten der Hml
schen Gedanken entfaltet wurde, war stärker als die Verwaltung. Am
1. Januar 1840 wurde das Pennyporto eingeführt. Der Briefverkehr
hob sich sofort sehr stark — von 75—89 Mill. Stück 1839 auf rund
169 Mill. 1840, auf rund 271 Mill. 1845, auf rund 347 Mill. 1850 —
aber nicht in dem Umfange, wie Hl## erywartet hatte, und der Rein-
ertrag blieb bis Anfang der 70 er Jahre unter dem Stande vor der Ein-
führung der Reform.
Trotzdem die Reinerträge drei Jahrzehnte lang unter den früheren
Summen blieben, hat England das neue Verfabren beibehalten, und auch
in den übrigen Staaten wurde der HiLLsche Gedanke unter gleichzeitiger
starker Ermäßigung der Portosätze nach und nach eingeführt, 2. B. 1849
in Frankreich, Belgien und Preußen, 1851 in den Vereinigten Staaten von
Amerika, 1868 im Gebiete des ehemaligen Deutsch.österreichischen Post-
vereins usw. Darin zeigt sich, daß zwar die Postverwaltungen nirgends Rein-
erträge verschmähen, dabß aber in den vorgeschrittenen Staaten das Haupt-
augenmerk nicht darauf, sondern auf tunlichste Förderung des Briefverkehr#
gerichtet ist. Die Annahme der H#schen Vorschläge und die Durch--
führung der Postreform bedeutet also überall ein grundsätzliches Auf-
geben der früheren Auffassung, daß die Post nichts anderes sei, als ein
auf möglichst hohe Reinerträge gerichteter und zu dem Zwecke mit dem
Alleinrecht ausgestatteter gewerblicher Grobbetrieb des Staates.
War diese großbe Verbesserung der englischen Anregung zu danken,
80 ist die dritte, die Schaffung des Weltpostvereins, zuerst in Deutsch-
land zur Sprache gebracht worden. Schon in dem Jahrgange 1841,
S. 315 ff. des „Archivs für Postwesen“ ist von Hofrat v. HErRRPELD ein
Weltpostverein angeregt und der Grundsatz ausgesprochen worden, daß
alle Staaten auf Vergütung für den Transit, d. b. für die Briefdurchfuhr
verzichten und für fremde Briefe im Innern kein Porto erheben, d. h.
also, daß jeder Staat das Porto behält, das er erhebt. Dieser Grundsatz