2. Kapitel. Entwickelungsgang. 579
allein konnte eine engere internationale Verbindung des Postwesens er-
möglichen. Er brach sich aber nur langsam Bahn. Im Deutsch-öster-
reichischen Postverein gelangte er zuerst zur Anerkennung. Mehr als
zwei Jahrzehnte waren aber noch nötig, ihm allgemeine Geltung zu
verschaffen, und gerade England hat sich ihm lange verschlossen. Die
erste internationale Postkonferenz zu Paris 1863, die angeregt zu haben
das bleibende Verdienst des amerikanischen Generalpostmeisters BrLAlR
ist, war der nächste Schritt; man vereinbarte 31 Grundsätze über den inter-
nationalen Briefverkehr, konnte sich aber über ein einheitliches Brief-
porto nicht einigen.
Daß diese Lücke beseitigt wurde, und daß man überhaupt nicht
mehr genötigt wurde, den internationalen Verkehr durch zahlreiche
Einzelverträge zu regeln, ist wiederum einer deutschen, von Dr. vo
SrEPHAN 1868 gegebenen Anregung zu danken. Im Verfolg dieser
Anregung fand nach Beseitigung zahlreicher Schwierigkeiten auf Ein-
ladung der deutschen Reichspostverwaltung 1874 in Bern ein von
22 Staaten beschickter Kongreß statt, der auf Grund eines von Dr. von
SrPHAN vorgelegten Entwurfs den „Allgemeinen Postvereinsvertrag“
vereinbarte. Freiheit der Briefdurchfuhr, Wegfall der Verteilung des
Portos auf die einzelnen Länder, Einheitsporto von 25 Centimes für den
einfachen Brief und Schaffung eines in Bern befindlichen, auf gemein-
Same Kosten unterhaltenen internationalen Bureaus der Postverwaltungen
sind die Hauptergebnisse des Kongresses. Schon in den wenigen Jahren
bis zum zweiten Kongresse (1878 in Paris) dehnte sich das Gebiet der
Vereinbarung wesentlich aus, für die 1878 ein neuer Vertrag und der
Name „Weltpostverein“ („Union postale universelle") festgestellt wurde.
Die weiteren Kongresse fanden 1885 in Lissabon, 1891 in Wien, 1897
in Washington, 1906 in Rom statt. Aubßer dem gewöhnlichen Briefverkehr
sind 1878 der Wertbrief- und Postanweisungsverkehr, 1880 der Paket-
verkehr, 1885 der Postauftragsverkehr, 1891 der Zeitungsverkehr geregelt,
aber durch Nebenverträge, an denen nicht alle Staaten des Weltpost-
vereins beteiligt sind. Im Jahre 1876 umfabte der Weltpostverein
37 Mill. qkm mit 350 Mill. Menschen. Inzwischen hat der Weltpost-
verein sich über die ganze Welt bin erweitert, soweit überbaupt ein
organisiertes Postwesen besteht. Nur China und Marokko stehen noch
auberhalb des Vereins, aber der Briefverkehr mit diesen Ländern erfolgt
auch jetzt schon unter den Bedingungen des Vereins. Im Jabhre 1909
umfabte der Weltpostverein 114 Mill. oakm mit 1204 Mill. Einwohnern.
Die hervorragende Bedeutung dieser Vereinbeitlichung, Verbilligung
und Erleichterung des Verkehrs ist 80 allgemein anerkannt, daß sie
hier nicht im einzelnen erläutert zu werden braucbt.
Der Weltpostverein verhindert nicht und macht auch nicht entbehr-
lich besondere Verträge zwischen verschiedenen Ländern zur Regelung
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