Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

46 I. Abschnitt. Das Verkehrswesen im allgemeinen. 
dureh gewinnen, dab das verbesserte Verkehrswesen die der Bewegungs- 
freiheit entgegenstehenden räumlichen Hindernisse wesentlich ver- 
mindert hat. 
Die Sache hat freilich ihre Kehrseite. Den Arbeitern aller Gebiete, 
die zu den neuen Verkehrsmitteln günstig liegen, ist die Fähigkeit ge- 
geben, das Absatzgebiet für die Verwertung ihrer Arbeitskraft auszu- 
debnen, und deshalb kann es nicht ausbleiben, dabß sich auch hier 
schlieblich die Absatzkreise schneiden und sich der Wettbewerb im 
Angebot der Arbeitskräfte an bestimmten Punkten verstärkt. Durch die 
dauernden Vereinigungen der Arbeiter wird desbalb eine Beeinflussung 
der örtlichen Verteilung des Arbeiterangebots durchgeführt, und dieses 
Vorgehen wird ebenfalls durch den schnelleren und billigeren Personen- 
und Nachrichtenverkehr erleichtert. Die Durchführung von Arbeitsein- 
stellungen wird den Arbeitern insoforn erschwert, als die Heranführung 
auswärtiger Arbeitskräfte behufs Beiseitedrängung der ausständigen 
Arbeiter erleichtert ist. Aber das Verkehrswesen erleichtert auch die 
Abbilfe dagegen. Denn die Arbeiter können jetzt viel leichter ihre Berufs- 
genossen an anderen Plätzen und in anderen Ländern zu gleichzeitigem 
Vorgehen in gleicher Richtung veranlassen oder sie über die Sachlage 
dahin verständigen, daß fremder Zuzug zum Ausstandsgebiete ferngehalten 
werden mubß. Weiter führt das verbesserte Verkehrswesen dazu, daß in 
gewissen Gebieten auch der Wettbewerb in der Nachfrage nach Arbeits- 
kräften wächst, weil sich die erweiterten Kreise der Nachfrage ebenfalls 
schneiden können. 
Im ganzen bhat diese Umgestaltung die Wirkung, daß Arbeitgeber 
und Arbeitnehmer sich mehr mit gleichen Waffen gegenübertreten können. 
Das müßte sie an sich auch mehr auf die Notwendigkeit einer Ver- 
ständigung und auf die am letzten Ende doch vorhandene Gemeinsam- 
keit wichtiger Interessen hinweisen; bei der raschen Umgestaltung der 
wirtschaftlichen Verhältnisse sind aber die Interessen beider Gruppen 
noch nicht binreichend auszugleichen gewesen, und die Kämpfe darum 
werden noch zu leidenschaftlich geführt und auch durch rein politische 
Bestrebungen noch zu sehr beeinflußt, als dabß sich beide Teile der Ge- 
meinsamkeit wichtiger Interessen schon hinreichend bewuht sein könnten. 
Die alten „Patriarchalischen“ Verhältnisse sind jedenfalls dahin und wer- 
den in der früheren Form auch nicht wieder aufleben. Aber es ist 
Kkurzsichtig, das an sich zu bedauern. Denn mit diesen patriarchalischen 
Verhältnissen war eine so große persönliche Abhängigkeit der Dienen- 
den von dem Herrn verbunden, daß sie mit der heutigen Auffassung 
von der wirtschaftlichen und politischen persönlichen Freiheit und Gleich- 
berechtigung nicht mehr zu vereinbaren ist. Rechtlich stehen sich 
heute Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei Schließung des Arbeitsvertrags 
gleich gegenüber. und anders kann es bei dem heutigen Verkehrswesen
	        
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