46 I. Abschnitt. Das Verkehrswesen im allgemeinen.
dureh gewinnen, dab das verbesserte Verkehrswesen die der Bewegungs-
freiheit entgegenstehenden räumlichen Hindernisse wesentlich ver-
mindert hat.
Die Sache hat freilich ihre Kehrseite. Den Arbeitern aller Gebiete,
die zu den neuen Verkehrsmitteln günstig liegen, ist die Fähigkeit ge-
geben, das Absatzgebiet für die Verwertung ihrer Arbeitskraft auszu-
debnen, und deshalb kann es nicht ausbleiben, dabß sich auch hier
schlieblich die Absatzkreise schneiden und sich der Wettbewerb im
Angebot der Arbeitskräfte an bestimmten Punkten verstärkt. Durch die
dauernden Vereinigungen der Arbeiter wird desbalb eine Beeinflussung
der örtlichen Verteilung des Arbeiterangebots durchgeführt, und dieses
Vorgehen wird ebenfalls durch den schnelleren und billigeren Personen-
und Nachrichtenverkehr erleichtert. Die Durchführung von Arbeitsein-
stellungen wird den Arbeitern insoforn erschwert, als die Heranführung
auswärtiger Arbeitskräfte behufs Beiseitedrängung der ausständigen
Arbeiter erleichtert ist. Aber das Verkehrswesen erleichtert auch die
Abbilfe dagegen. Denn die Arbeiter können jetzt viel leichter ihre Berufs-
genossen an anderen Plätzen und in anderen Ländern zu gleichzeitigem
Vorgehen in gleicher Richtung veranlassen oder sie über die Sachlage
dahin verständigen, daß fremder Zuzug zum Ausstandsgebiete ferngehalten
werden mubß. Weiter führt das verbesserte Verkehrswesen dazu, daß in
gewissen Gebieten auch der Wettbewerb in der Nachfrage nach Arbeits-
kräften wächst, weil sich die erweiterten Kreise der Nachfrage ebenfalls
schneiden können.
Im ganzen bhat diese Umgestaltung die Wirkung, daß Arbeitgeber
und Arbeitnehmer sich mehr mit gleichen Waffen gegenübertreten können.
Das müßte sie an sich auch mehr auf die Notwendigkeit einer Ver-
ständigung und auf die am letzten Ende doch vorhandene Gemeinsam-
keit wichtiger Interessen hinweisen; bei der raschen Umgestaltung der
wirtschaftlichen Verhältnisse sind aber die Interessen beider Gruppen
noch nicht binreichend auszugleichen gewesen, und die Kämpfe darum
werden noch zu leidenschaftlich geführt und auch durch rein politische
Bestrebungen noch zu sehr beeinflußt, als dabß sich beide Teile der Ge-
meinsamkeit wichtiger Interessen schon hinreichend bewuht sein könnten.
Die alten „Patriarchalischen“ Verhältnisse sind jedenfalls dahin und wer-
den in der früheren Form auch nicht wieder aufleben. Aber es ist
Kkurzsichtig, das an sich zu bedauern. Denn mit diesen patriarchalischen
Verhältnissen war eine so große persönliche Abhängigkeit der Dienen-
den von dem Herrn verbunden, daß sie mit der heutigen Auffassung
von der wirtschaftlichen und politischen persönlichen Freiheit und Gleich-
berechtigung nicht mehr zu vereinbaren ist. Rechtlich stehen sich
heute Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei Schließung des Arbeitsvertrags
gleich gegenüber. und anders kann es bei dem heutigen Verkehrswesen