598 VlI. Abschnitt. Der Post- und elektrische Nachrichtenschnellverkehr.
Gegenteils. Zeitweilig wurde das Briefgeheimnis zu Zwecken der hohen
Politik rücksichtslos verletzt. Namentlich Frankreich hat in dieser Be-
ziehung zur Zeit MAzARLNS, NáPOLEONS I., Lupwies XVIII., KaAnlS X.
ein schlechtes Beispiel gegeben, das auch bei anderen Staaten Nach-
ahmung fand. Selbst die preubische Post, die sich sonst stets durch
grobe Gewissenhaftigkeit in dieser Beziehung hervortat, ist eine Zeit
lang unter v. NaGlLuns Verwaltung von dem französischen Vorbild an-
gesteckt worden. Das staatliche Alleinrecht an sich schützt gegen solche
Mißgriffe noch nicht, sondern nur die Gewissenhaftigkeit der Staats-
regierung, ihrer Behörden und Beamten in der Erfüllung der gesetzlichen
Anordnungen.
Unter den heutigen Verhältnissen können die von der Post zu er-
füllenden Aufgaben nur dann in ausreichendem Mabße gelöst werden,
wenn der Staat sein Alleinrecht selbst verwaltet. War auch früher Be-
lehnung und Verpachtung beim Postwesen vielfach üblich, so läßht sich
doch nicht verkennen, dab eine vollkommene Ausgestaltung des ver-
wickelten Räderwerkes, das zudem mit anderen Zweigen der Staats-
Verwaltung vielfach in Berübrung tritt, nicht von einer Privatunter-
nehmung ausgehen kann. Diese wird als Inhaber des Lehens oder der
Pacht immer einen Gegensatz zwischen ihrem Erwerbsdrang und den
öffentlichen Anforderungen fühlen. Diesen Gegensatz zu vermeiden, ist
gerade ein Hauptzweck der Alleinberechtigung des Staates; durch Ver-
pachtung und Belehnung würde man diesen Zweck vereiteln.
Bei dem Aufbau der staatlichen Postverwaltung sind verschiedene
Wege möglich. Man kann zunächst, wie in Grobbritannien, den Ver-
einigten Staaten von Amerika, Dänemark, Schweden, Norwegen,
Japan, die ausführenden Behörden, die Postanstalten, unmittelbar der
Zentralstelle unterordnen, sodaß keine eigentlichen Provinzial- oder
Bezirksbehörden als Zwischenstelle vorhanden sind. Dabei kommt die
dem Postbetriebe notwendige Zusammenfasung auch in der Verwaltungs-
gliederung am schärfsten zum Ausdruck. Der Nachteil, der möglicher-
weise eintreten kann, ist der, daß die Arbeitskraft der Zentralstelle in
hohem Mabe für weniger wichtige Angelegenheiten in Anspruch ge-
nommen wird, dabß die Berücksichtigung der Bedürfnisse kleinerer Be-
zirke mehr Schwierigkeiten bereitet, und daß die Uberwachung der
ausführenden Dienststellen nicht unmittelbar und ständig in hinreichend
wirksamer Weise ausgeübt werden kann. Der letztere Punkt ist namentlich
für die entlegeneren, unter Umständen nur im Nebenamte verwalteten
Postagenturen und Posthilfsstellen wichtig.
Der zweite Weg besteht darin, dab für die Verwaltungsaufgabe
eine gewisse gebietsweise Arbeitsteilung durchgeführt wird. Es bestehen
hierbei auf der einen Seite als ausführende Dienststellen die Postämter
verschiedener Grade, auf der anderen als leitendes Organ die Zentral-