3. Kapitel. Die Post u. d. elektr. Nachrichtenverkehr als Gegenstand d. Staatsverw. 601
von der Art und Tüchtigkeit der Mitglieder ab. Im übrigen entspricht
es dem Zuge der Zeit, im Verkehrswesen den beteiligten Bevölkerungs-
kreisen eine unmittelbare Mitarbeit zu ermöglichen und sie nicht ledig-
lich auf die Wahrnehmung ihrer Bedürfnisse in der Volksvertretung zu
verweisen. Von diesem Gesichtspunkte aus sollte man der Frage nicht
grundsätzlich ablehnend gegenübertreten.
Auch die allein berechtigte staatliche Briefpostverwaltung kann
unter dem Drucke der allgemeinen Finanzlage des Staates zu einer
starken Betonung des gewerblichen Standpunktes, also zum Streben nach
möglichst hohen Reinerträgen gedrängt werden. Allerdings ist dieses
Streben am schärften ausgeprägt, wenn eine Privatunternehmung als Pächter
das Postmonopol betreibt; aber auch bei eigener Verwaltung des Staates
kann diese Gefahr verwirklicht werden, wenn die ganze Verwaltung
nicht nach dem richtigen Grundsatze geführt wird. Der Grundsatz des
freien Genußguts ist, wie schon im allgemeinen Teile dargelegt wurde,
bei der Briefpost ausgeschlossen. Es bleibt also nur die Wahl zwischen
dem Gebührengrundsatz und dem gewerblichen Grundsatz. Zwischen
beiden hbat man in der Praxis längere Zeit geschwankt. Früher, auch
in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, wurde der gewerbliche
Grundsatz verfolgt; daraus erklären sich auch die damaligen hohen
Portosätze. Heute gilt im allgemeinen der Gebührengrundsatz, wie er
schon 1811 von KLößER warm bekfürwortet war.
Es fehlt aber nicht an Stimmen, die der Briefpost die Erzielung
möglichst hoher Uberschüsse für allgemeine Staatsausgaben zur Pflicht
machen wollen. Diese Auffassung beruht auf der Meinung, als ob
mähßige Briefportosätze vorzugsweise den bemittelten Klassen, den Grob-
händlern und den Großgewerbetreibenden zugute kommen; man vergibßt
dabei die Rückwirkung auf breite Volksschichten, die heute durchweg
in nicht geringem Mabe die Posteinrichtungen benutzen müssen, und
man unterschätzt die Bedeutung der Auslagen für den geschäftlichen
Briefwechsel, die doch in den Preisen der Waren wieder eingebracht
werden müssen.
Der Gebührengrundsatz kann nicht so ausgestaltet werden, dab die
Post ohne dauernde Zuschüsse ihre eigenen Kosten nicht zu decken
vermag. Man kann nicht in dieser Weise der gesamten Bevölkerung
eine Last auflegen zugunsten derjenigen, welche durch Benutzung der
Posteinrichtungen unmittelbare Vorteile ziehen. Der einzelne, der die
Leistungen der Post in Anspruch nimmt, muß an seinem Teil dazu
beitragen, daß eine Besteuerung der übrigen Bevölkerung lediglich zur
vollen Deckung der Selbstkosten nicht nötig wird. Vielmehr muß als
Ziel der Gebührenbemessung auch hier die volle Eigenkostendeckung
gelten, sodaß die Betriebs- und Unterhaltungskosten und die Verzinsung
und Tilgung der Anlagekosten im ganzen durch die eigenen Einnahmen