3. Kapitel. Die Post u. d. elektr. Nachrichtenverkehr als Gegenstand d. Staatsverw. 603
betrieb dar, der überdies in Wettbewerb mit dem Privatbetriebe tritt.
Von einem derartigen Betriebe kann man nicht die gleiche Bevorzugung
der volkswirtschaftlichen Bedürnisse vor dem Erwerbsstreben verlangen,
wie bei der Briefpost, die deshalb dem Staate ausschlieblich überwiesen
ist, weil sie auf andere Weise überhaupt nicht mit gleicher Vollkommen-
heit und mit gleicher Anpassungsfähigkeit an die allgemeinen Verkehrs-
bedürfnisse eingerichtet werden kann. Die Paketpost betreibt dagegen
der Staat nicht in erster Linie deshalb, weil das allgemeine Verkehrs-
bedürfnis es erfordert, sondern, weil es für ihn nützlich und einträglich
ist, durch Ubernahme des Paketverkehrs seine Einrichtungen noch voll-
kommener auszunutzen, und weil er sich überhaupt geldliche Vorteile
davon verspricht. Unter solchen Umständen ist die dauernde Erzielung
von günstigen Erträgen der Paketpost berechtigt. Der gewerbliche
Grundsatz hat hier zu herrschen, und die Portosätze im Paketverkehr
sind deshalb so zu bemessen, daß sie diesem Grundsatz in ihrer Ge-
samtwirkung entsprechen, was übrigens keineswegs ohne weiteres hohe
Portosätze bedeutet. Bei der Personenbeförderung und überhaupt bei
allen im Wettbewerbe mit Privatunternehmungen betriebenen Zweigen
des Postdienstes muß grundsätzlich dasselbe gelten.
Wie weit nach diesen Grundsätzen bei den einzelnen Zweigen ge-
handelt wird, ist aus den veröffentlichten Haushaltplänen und Post-
statistiken nicht erkennbar, also nur innerhalb der Postverwaltung selbst
zu überschen.
Nimmt man die Post-, Telegraphen- und Fernsprechverwaltung als
ganzes, 80 fehlt es nach den Ubersichten im Statistischen Jahrbuch für
das Deutsche Reich 1911 nicht an Beispielen dafür, daß die Einnahmen
hinter den Ausgaben zurückbleiben, so 1908 in Bosnien und Herzegowina,
in Algier, in den Niederlanden, in Luxemburg, in den Vereinigten Staaten
von Amerika, Mexiko, Argentinien, Britisch-Indien. Bei manchen Län-
dern gehen die Einnahmen 8o wenig über die Ausgaben hinaus, daß
von wirklichen Uberschüssen kaum die Rede sein kann, z. B. in Agypten,
der Schweiz, Dänemark, Schweden, Norwegen usw. Anscheinend
nennenswerte Uberschüsse liegen vor bei ltalien mit rund 43 Mill. Frs.,
Japan mit rund 55½/ Mill. Frs., Großbritannien mit Irland 90,4 Mill. Frs.,
Frankreich mit 136 Mill. Frs., Rußland mit 211,3 Mill. Frs., Deutschland
mit 274 Mill. Frs. Auch diese Uberschüsse würden sich bei richtiger
Rechnung wohbhl noch sehr verdünnen. Die deutsche Reichspostverwal-
tung hatte, wenn man den ordentlichen Ausgaben die einmaligen Aus-
gaben im ordentlichen Etat hinzurechnet, nach dem Voranschlage für
1912 nicht 113,5 Mill. M. (Uberschuß der ordentlichen Einnahmen über
die ordentlichen Ausgaben), sondern nur 89 Mill. M. Uberschuhß und für 1911
nicht 90,5 Mill. M. sondern nur 71,6 Mill. M. Uberschuß, ferner nach der
Ist-Rechnung 1908 nicht 82,05, sondern nur 35,25 Mill. M., 1898 nicht 47,15,