Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

48 I. Abschnitt. Das Verkehrswesen im allgemeineu. 
das Verkehrswesen einer Besserung dienstbar gemacht werden, wenn 
es 80 eingerichtet ist, daß der Arbeiterschaft das Wohnen in den Auben- 
bezirken, also in gröberer Entfernung von den städtischen Arbeitsstätten, 
und die Erreichung der Arbeitsstätte erleichtert wird durch billige und 
häufige Fahrgelegenheiten jeder Art. 
Wie bei den Warenpreisen, so tritt auch bezüglich des Kapitalzinses 
und vor allem des Arbeitslohnes eine gewisse Annäherung in verschiedenen 
Gebieten infolge des verbesserten Verkehrswesens ein, die allerdings 
nicht zur Ausgleichung, sondern nur zur Abschwächung der vorhandenen 
Unterschiede führen Kann. Angebot und Nachfrage in bezug auf die 
Arbeitskräfte sind nicht mehr in dem Mabe wie früher von örtlichen 
Verhältnissen abhängig. Das ist zunächst die Wirkung des verbesserten 
Personenverkehrs; aber auch der verbesserte Nachrichtenverkehr spricht 
hier sehr wesentlich mit. Er erleichtert es, sich über die Lage des 
Arbeitsmarktes in den einzelnen Bezirken zu unterrichten, kommende 
Steigerung oder Minderung der Nachfrage zu erkennen und die Arbeits- 
kräfte an die Bedarfspunkte hin zu beordern. Es ist bekannt, dabß die 
englischen Gewerkvereine die so gegebenen Ausgleichsmöglichkeiten zu- 
gunsten ihrer Mitglieder auszunutzen bemüht sind. Auch anderswo sucht 
man diesen Vorteil des Verkebrswesens zum Besten der gesellschaftlichen 
Verhältnisse zu verwerten. 
Das heutige Verkehrswesen erleichtert den Menschen aller Klassen 
das Auseinanderströmen, auf der anderen Seite aber auch das Zusammen- 
treffen. Die durch gleichartige Bedürfnisse verbundenen Personen können 
sich durch den Nachrichtenverkehr leichter verständigen und durch den 
besseren Personenverkehr leichter persönlich nahe treten. Arbeiter und 
Unternehmer nicht nur, sondern auch alle anderen Berufskreise können 
sich so zu gemeinsamer Arbeit vereinigen. Die Folge ist eine engere 
Verbindung der durch gleiche Bedürfnisse zusammengebaltenen Kreise, 
das bäufigere freiwillige Zusammenschlieben zur Verfolgung gemein- 
schaftlicher sittlicher, geistiger, wirtschaftlicher, insbesondere auch ge- 
Sellschaftlicher Zwecke. Die Fülle der Vereinigungen in größeren und 
kleineren Gebieten für die verschiedensten Aufgaben zeigt, wie sehr diese 
Wirkung von der Bevölkerung verstanden ist. 
Auch die Annäherung der verschiedenen Stände wird durch das 
heutige Verkehrswesen gefördert, da es die Standes- und Klassenunter- 
schiede nur in engen Grenzen berücksichtigen kann. Das gilt vom 
Nachrichtenverkehr wie vom Personenverkehr, tritt aber bei letzterem 
besonders scharf hervor. Jeder Eisenbahnzug befördert eine bunt zu- 
sammengewürfelte, sich auf alle Stände verteilende Gesellschaft, zwar 
nicht mit der gleichen Annehmlichkeit und Bequemlichkeit, aber doch 
mit der gleichen Geschwindigkeit. Alle sind gleicherweise den dienst- 
lichen Anweisungen des Zugpersonals unterworfen, alle ohne Unter-
	        
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