3. Kapitel. Die Post u. d. elektr. Nachrichtenverkehr als Gegenstand d. Staatsverw. 609
Die Ortsfernsprecheinrichtung dient dem inneren örtlichen Verkehr,
und es hätte bei der angegebenen Voraussetzung keine Veranlassung
vorgelegen, dem Staate das ausschliebliche Recht zur Anlage solcher Orts-
netze, die von einander unabhängig sind, vorzubehalten. Vielmehr wäre
es alsdann Sache der Gemeinden gewesen, die Aufgaben der öffentlichen
Gewalt gegenüber den Fernsprechern durchzuführen und nötigenfalls den
Fernsprechbetrieb in die Hand zu nehmen. Zugunsten der Verstaatlichung
hätte man in diesem Fall nur anführen können, dab der Staat wegen seiner
Telegraphenverwaltung gewisse Arbeiten billiger herstellen könnte. Dem-
gegenüber aber hätte wieder betont werden können, dabß die Gemeinden
unter Umständen ohnebin zur Anlage von Elektrizitätswerken für Licht-
oder Krafterzeugung übergehen, also auch in der Lage sein würden,
gewisse Obliegenheiten, Arbeiten usw. ohne nennenswerten Mehraufwand
mit zu übernehmen.
Die Sachlage ist wesentlich verändert worden dadurch, dab der Fern-
sprecher zu erbeblichen Fernwirkungen geeignet gemacht worden ist. Er
übernimmt jetzt mehr und mehr den Teil des Nachrichtenverkehrs, bei
dem eine größere Schnelligkeit, als der Telegraph sie bieten kann, und
darüber binaus noch eine unmittelbare mündliche Aussprache, also eine
fast vollständige Aufhebung des Entfernungsunterschieds, Bedürfnis ist.
Der Fernsprecher ist für die Entfernungen, für die er verwendbar ist,
leistungsfähiger, aber auch für den Benutzenden oft teurer als der Telegraph.
Für den Fernverkehr treten Fernsprecher und Telegraph in einen
gewissen Wettbewerb, ergänzen sich aber auch gegenseitig, weil sie das
Bedürfnis nach schnellster Nachrichtenbeförderung je in besonderer Weise
befriedigen. Gerade deshalb muhßte man sie in einer Hand vereinigen;
denn ihr Zusammenwirken führt zu einer besseren Befriedigung des Ver-
kehrsbedürfnisses.
Dazu kommt, dabß bei gesteigerter Fernwirkung des Fernsprechers
bezüglich der planmähbßigen und einheitlichen Anlage des Netzes und der
besten Ordnung des Betriebsdienstes ebensowenig wie beim Telegraphen
eine bezirksweise Verteilung der Verwaltung und ein Wettbewerb mehrerer
Unternehmungen zugelassen werden kann. Die Zusammenfassung in
einer Hand ist hier unentbehrlich; sie verbessert und verbilligt auch hier
die Leistungen.
Diesen zusammengefabten Fernsprechbetrieb von dem Telegraphen-
betrieb zu trennen, wäre durchaus unwirtschaftlich. Ein grober Teil der
für den Telegraphenbetrieb vorhandenen Kräfte und Einrichtungen kann
für den Fernsprecher mitbenutzt werden, sodaß dieser mit viel geringeren
Unkosten hergestellt und verwaltet werden kann. Uberdies wird gerade
durch den Fernsprecher der Anschluß an das Telegraphennetz weit
mehr Orten verschafft, als sonst aus wirtschaftlichen Erwägungen
möglich wäre.
VAN DER ondr. Verkehrswesen. 2. Aufl 30