3. Kapitel. Die Wirkungen des vervollkommneten Verkehrswesens. 61
neuen Verkehrsmittel rücken auch die Völker näher aneinander, bringen
Sie in häufige und engere Berührungen und in mannigfaltige Beziehungen,
mischen sie mehr untereinander und steigern das Bedürfnis nach ein-
heitlichen Rechtsgrundsätzen auch für die internationalen Beziehungen. Man
Kkann erst in unserem Jahrhundert eine internationale Rechtsbildung im
grolten Stile wahrnehmen, hinter der das, was frühere Jahrhunderte auf
diesem Gebiete erreichten konnten, weit zurückstebt. Das völkerbindende
Meer bat zwar schon früher internationale Vereinbarungen zustande ge-
bracht; sie sind aber in unserem Jahrhunderte wesentlich erweitert
worden. Entsprechendes gilt von den Binnenwasserstraben. Dazu kam
das internationale Ubereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr vom
1. Oktober 1890 und die dazu ergangenen Ergänzungen, dem am
1. Okt. 1911 bereits 253000 km Eisenbahnen unterworfen waren. Ihm
wird voraussichtlich bald ein internationales Ubereinkommen über den
Personen- und Gepäckverkehr folgen, über dessen Entwurf in Bern am
30. Mai 1911 verhandelt worden ist.
„ Uber den Kraftwagenverkehr wurde 1910 ein internationales Ab-
kommen getroffen. Im Nachbrichtenverkehr kommen auber den Ab-
machungen über den Weltpostverein und über den internationalen Tele-
graphenverein die internationalen Abmachungen über Kabelschutz von
1884 und über Funkentelegraphen von 1906 in Betracht.
Aber nicht nur das Verkehrsrecht als solches, auch andere Arten
der internationalen Beziehungen sind durch die Völkerannäherung stark
beeinflußt worden. Fast die ganze Welt hat sich z. B. dem metrischen
Maß- und Gewichtssystem angeschlossen und unterhält seit 1875 ein
„Internationales Bureau für Maß- und Gewichtswesen“ (in Paris) auf
gemeinschaftliche Kosten. Vor hundert Jahren war das noch undenkbar.
Der Schutz des geistigen Eigentums ist ebenfalls für große Teile
der Welt zwar nicht nach einheitlichen Gesetzen geregelt, aber seit 1883
für das gewerbliche, seit 1886 für das schriftstellerische und künstlerische
Eigentum nach einbeitlichen Grundsätzen international gewübrleistet.
Mabßgebend ist dabei der Grundsatz der Gegenseitigkeit, der sich nur
unter der Herrschaft des Weltverkehrs zu so allgemeiner Geltung ent-
wickeln konnte, und der in Wahrheit auch dem Geiste der Menschlich-
keit im Völkerrecht immer mehr Raum verschafft. Es sei nur erinnert
an die Genfer Konvention vom 22. Aug. 1864, die den Verwundeten
eine bessere und gesicherte Pflege verschafft, an die in Petersburg 1868
vereinbarte Unzulässigkeit des Gebrauches explosiver Geschosse aus
Handfeuerwaffen, an die internationale Bekämpfung der Sklavenjagden
an die 1907 auf der Haager Friedenskonferenz geschlossenen Abkommen
über wichtige Fragen des Land- und Seekriegs und den Schutz des
Sondereigentums während des Krieges u. dgl. mehr.
Man kann heute sogar schon von einem völkerrechtlichen Bürger-