822. Die Sicherung völkerrechtlicher Rechtsverhältnisse. 181
3. Dureh den Krieg werden die zwischen den kriegführenden
Staaten bestehenden Verträge aufgehoben, soweit sie nieht ganz oder
in einzelnen ihrer Bestimmungen gerade für den Fall des Krieges ge-
sehlossen worden sind.
Es erlöschen also nicht bloß die Verträge, die mit dem
Kriegszustand unverträglich sind, also etwa Bündnisverträge, die
zwischen den jetzigen Gegnern geschlossen waren, sondern alle Ver-
träge, die nicht, wie die Genfer Konvention, wie Neutralisierungs-
verträge, Verträge über den freien Abzug gegnerischer Staatsange-
höriger usw., erst unter der Voraussetzung des Kriegszustandes ihre
Wirksamkeit entfalten. Das gilt auch, dem Gegner gegenüber, von
den mit diesem und zugleich mit anderen Staaten abgeschlossenen
Verträgen, soweit eine solche Ausscheidung der nur dem Gegner
gegenüber bestehenden Verpflichtungen durchführbar ist. i
Die überwiegende Ansicht der Literatur geht allerdings dahin,
daß die Verträge durch den Krieg nur suspendiert, nicht aufgehoben
werden. Die Staatenpraxis der letzten Jahrzehnte spricht aber
gegen diese Ansicht. Vergl. Art. 11 Abs. 1 des Frankfurter Friedens-
vertrags vom 10. Mai 1871 und Art. 18 des Zusatzvertrags vom
11. Dezember 1871 (R.G.Bl. 1872 S. 7): „Da die Handelsverträge
mit den verschiedenen Staaten Deutschlands durch den Krieg auf-
gehoben sind (ayant &t& annul&s par la guerre), so werden die
Deutsche Regierung und die Französische Regierung den Grundsatz
der gegenseitigen Behandlung auf dem Fusse der meistbegünstigten
Nation ihren Handelsbeziehungen zu Grunde legen.“ Ebenso wurde
nach Beendigung des griechisch-türkischen Krieges von 1897 von
allen Seiten anerkannt, daß die vor dem Kriegsausbruch zwischen
den beiden Staaten geschlossenen Verträge, daher auch die Kapitu-
lationen, aufgehoben seien.
& 22. Die Sicherung völkerrechtlicher Rechtsverhältnisse.
L Das alte Recht hatte, ganz abgesehen von den privatrechtlich
anerkannten Formen der Pfandbestellung und der Bürgschaft, eine
ganze Reihe verscehiedenartiger Mittel angewendet, um die Erfüllung
bestehender völkerrechtlieher Verpflichtungen zu sichern.