4. Kapitel. Die Aufgaben der öffentl. Gewalt gegenüber dem Verkehrswesen. 75
#cuallteno. Die Darlegungen in §1 baben gezeigt, daß das Verkehrs-
wesen unser Zeit zum Eingreifen der öffentlichen Gewalt, insbesondere
der Staatsregierung, in den verschiedensten Beziehungen Anlabß gibt, und
daß dieses Eingreifen zum Teil sogar in sehr kräftiger Weise geschehen
muß. Der Selbständigkeit der Erwerbsgesellschaften müssen viele und
zum Teil recht enge Schranken gezogen werden, ohne daß der Zweck
immer vollkommen erreicht wird. Zugleich bedarf es eines umfang-
reichen Eingreifens der öffentlichen Gewalt, um die Dinge zu regeln,
denen die Erwerbsgesellschaften nicht gewachsen sind, und um den
Schutz zu schaffen, den sie aus sich selbst nicht schaffen können.
Endlich muß die öffentliche Gewalt zum Teil bedeutende Opfer auf
sich nehmen, um überhaupt die nicht immer binreichend willigen Kapital-
eigner zum Herantreten an die Verkehrsaufgaben zu veranlassen.
Das alles führt auf die Frage, ob es unter solchen Umständen
nicht zweckmäbßiger ist, dab die öffentliche Gewalt die Verkehrsmittel
in eigene Verwaltung nimmt. Diese Frage wird aber weiterhin auch
dadurch nahegelegt, daß die Eigenart verschiedener der neuen Ver-
kehrsmittel auf die Entwickelung einer herrschenden, einem Allein-
rechte gleichkkommenden Stellung hindrängt. Das äubert sich schon in
dem Umstande, dab ein zweckmähiger Betrieb bei wichtigen Ver-
kehrsgruppen nur denkbar ist, wenn der Betriebsdienst vollkommen ein-
heitlich geleitet ist. Auf einem ausgebildeten Netze von Verkehrswegen,
die ein vollkommenes Ineinandergreifen des Betriebs erfordern, würde
eine Zersplitterung des Betriebsdienstes in mehrere selbständige und
gleichberechtigte Verwaltungen die volle Ausnutzung der Leistungsfähbigkeit
der Wege erschweren. Durch besondere Vorkehrungen und Abmachungen
läßt sich der Nachteil, der aus dem Nebeneinander der unabhängigen
Verwaltungen entstehen kann, einschränken, aber nicht beseitigen, wenn
nicht die Vorkehrungen und Abmachungen soweit gehen, dab die Un-
abhängigkeit der einzelnen Verwaltungen nur noch eine Form ist.
Ohne so weitgehende Vorkehrungen würde es leicht dahin kommen,
daß die Fahrzeuge vielfach in unwirtschaftlicher Weise nur in einer
Richtung beladen laufen, daß beim Ubergange der Beförderungen in
das Gebiet einer anderen Verwaltung Verzögerungen und Kosten ent-
stehen, daß wegen der ungleichen Ausrüstung der Linien der ungehemmte
Umlauf innerhalb des Netzes unmöglich wird, daß aus der ungleichen
Bauweise der Lokomotiven, Triebwagen, Fahrzeuge usw. einem glatten
Betriebe großbße Schwierigkeiten entgegentreten. Alles das würde
den Betrieb erschweren und in unwirtschaftlicher Weise verteuern.
Schon der Umstand, daß die Fahrzeuge verschiedenen Verwaltungen ge-
hören, also mangels besonderer Vorkehrungen und weitgehender ver-
tragsmäbiger Einengung der Selbständigkeit der einzelnen Verwaltungen
beim Ubergange in das Gebiet einer oder mehrerer fremder Verwaltungen