4. Kapitel. Die Aufgaben der öffentl. Gewalt gegenüber dem Verkehrswesen. 77
gemacht von der vollständigen Verschmelzung der Linien, der Fusion,
die namentlich im Eisenbahnwesen eine große Rolle gespielt hat. Bei
ihnen ist die Neigung zur Verschmelzung so stark gewesen und hat so
sehr ibrem Erwerbsdrang entsprochen, daß sich fast allenthalben tat-
sächlich für eine oder einige wenige Gesellschaften schon früh eine
fast unangefochtene Beherrschung bestimmter Verkehrsgebiete entwickelt
hat. Auch im Telegraphen- und Fernsprechwesen, wenn es Erwerbs-
gesellschaften überlassen ist, wie in den Vereinigten Staaten von Amerika,
sind gleiche Verhältnisse eingetreten. Im Schiffabrtsbetriebe fehlt es
ebenfalls nicht an Beispielen dalür.
Diese Eigentümlichkeit des Verkehrswesens, insbesondere des be-
sonders leistungsfähigen, entspricht in Wahrheit dem wirtschaftlichen
Bedürfnis im allgemeinen. Anlagé, Verwaltung und Betrich solcher Ver-
kehrsanlagen gestalten sich für die Volkswirtschaft billiger, wenn ein
Wettbewerb nicht stattfindet. Die Grundsätze, die sonst für den Wett-
bewerb der Erwerbsunternehmungen aufgestellt werden, passen tatsächlich
für das Verkehrswesen nicht. Emne regelnde Wirksamkeit, ein Schutz
gegen Ausbeutung der Bevölkerung, ein wohltätiger Sporn zur höchsten
Anspannung der Kräfte und dergleichen mehr ist in wichtigen Teilen
des Verkehrswesens von dem Wettbewerbe überhaupt nicht zu erwarten.
Auch bei anderen Erwerbszweigen zeigt der Wettbewerb nicht immer
die bezeichneten und wohltätigen Wirkungen; die Zersplitterung bedingt
auch bier oft genug eine unwirtschaftliche Steigerung des Aufwandes
für Anlage und Betrieb und fübrt in letzter Linie nicht selten zur
höheren Belastung der Verbraucher. Beim Verkehrswesen tritt das
noch viel schärfer zutage.
Werden zwischen zwei Orten mehrere gleichartige Verkehrswege
angelegt, dann sind zwei Fälle möglich. Entweder ist das Verkehrs-
bedürfnis so groß, dal eine Linie auch bei stärkster Anspannung nicht
genügen würde, das Bedürfnis vollkommen zu bekriedigen. Oder aber
die eine Linie reicht aus, dem vorhandenen und demnächst zu er-
wartenden Verkehrsbedürfnisse gerecht zu werden. Der erstere Fall feblt
keineswegs, tritt aber verhältnismäßig selten ein, der letztere bildet die
Regel, da auf einem gegebenen Verkehrswege von guter Beschaffenheit
bei zweckmähiger Ordnung die Verkehrsleistung im ganzen in hohem
Mabe gesteigert werden kann. Ist das aber der Fall, so liegt in der
Anlage mehrerer Linien eine volkswirtschaftliche Verschwendung, die
um so mehr ins Gewicht fällt, als die Verkehrswege heutzutage riesige
Kapitalmassen festlegen. Man braucht dann z. B. bei Eisenbahnen mebrere
Bahnkörper, während einer genügt; man hat an den Endpunkten mehr-
fache Babnhofsanlagen nötig, während eine ausreichen würde; man mu
die Betriebsmittel mehrfach anschaffen, die dann auf keiner der ver-
schiedenen Linien voll ausgenutzt werden usf.