82 I. Abschnitt. Das Verkehrswesen im allgemeinen.
als das zweckmähigste, und wenn nicht besondere Umstünde vorliegen,
so steht es der vollen Ausnutzung des Verkehrsalleinrechts durch
die öffentliche Gewalt nach auf den Gebiceten, auf denen es überbaupt
in Frage kommt. Dahß nicht etwa beim Genchmigungsverfahren durch
einen lebhaften Wettbewerb der Gesellschaften Vorteile erziell werden, die
über die bezeichneten Nachteile hinwegsehen lassen, ist bereits gezeigt
worden.
Mit dem gesagten soll nicht ausgesprochen sein, dabß unter allen
Umständen das Genehmigungsverfahren abzulehnen sei. Die Frage,
welcher Weg zu gehen ist. bängt vielmehr von den zeitlichen und ört-
lichen Verbältnissen ab. Eine Gefahr aber wird bei dem Genehmigungs-
verfahren überall bestehen, nämlich die, daß die öffentliche Gewalt
nötigenfalls den Betrieb derjenigen Gesellschaften fortsetzen mut, welche
abgewirtschaftet haben und zugrunde gegangen sind oder nicht mehr
als leistungsfähig erscheinen. Denn geschähe das nicht, so würde eine
Verschiebung der Verkehrsverhältnisse eintreten, die bestimmte Gebiete
schwer schädigen müßte, und gleichzeitig würde durch den allmählichen
Verfall des betreffenden Teiles des Verkehrsnetzes der Volkswirtschaft
ein Verlust erwachsen. Die in Rede stehende Notwendhgkeit fällt nur
dann weg, wenn eine andere Gesellschaft das Erbe der abgewirtschafteten
Gesellschaft anzutreten bercit ist.
Wenn der Staat oder die öffentliche Gewalt dazu übergeht, einen
Teil des Netzes wegen Unfähigkeit der Gesecllschaftsverwaltung oder
aus anderen Gründen in eigene Verwaltung zu übernehmen (z. B. Privat-
bahnen unter Staatsverwaltung), 8o treffen in der öffentlichen Gewalt
die Erwerbsrücksichten der Gesellschaft und die öffentlichen Bedürfnisse
zusammen. Dabß dies die öffentliche Gewalt bisweilen in eine sehr
schiefe Stellung bringen kann, liegt auf der Hand. Für das Gesamtwohl
wird sich ein solcher Zustand auf die Dauer nicht als vorteilhaft er-
weisen können.
Erwirbt die ölfentliche Gewalt aus derartigen oder sonstigen Er-
wägungen einen Teil des Verkehsnetzes, während der andere Teil in
den Händen der Erwerbsgesellschaften verbleibt, so entsteht das „ge-
mischte Verfabrend, das im Eisenbahnwesen auch geschichtlich eine
Rolle gespielt hat, z. B. im Preußen. Dieses Verfahren erscheint auf den
ersten Blick vortrefflich. Vereinigt es doch anscheinend die Vorzüge
des öffentlichen und des gesellschaftlichen Betriebs, die sich nun gegen-
seitig günstig beeinflussen müßten. Die öffentliche Unternehmung müßte
dadurch vor „Burecaukratismus“ bewahrt, die Priratunternehmung wirksam
an einseitiger Verfolgung ihrer Sonderbedürfnisse gehindert werden.
Es hat deshalb auch dem gemischten Verfahren — besonders für das
Eisenbahnwesen — nicht an Lobrednern gefehlt. In Wirklichkeit verdient
das gemischte Verfahren eine solche Wertschätzung nicht. Der Staat