4. Kapitel. Die Aufgaben der öffentl. Gewalt gegenüber dem Verkehrswesen. 83
kommt dabei in eine schiefe Stellung, weil er in Wettbewerb mit Eisen-
baheugesellschaften treten, gleichzeitig aber auch als Aufsichtsbehörde
über das Eisenbahnwesen wirken und das Aufsichtsrecht über die Wett-
bewerbsgesellschaften ausüben muß. Daßbß bei dieser Sachlage vielfach
die Staatsgewalt einer gehässigen und ungerechten Beurteilung unterworfen
werden wurd, ist kaum zu vermeiden.
Wichtiger noch ist die große Unwirtschaftlichkeit des Verfahrens.
Eine gegenseitige Beeinflussung könnte nur eintreten, wenn in allen
wichtigeren Verkehrsrichtungen ein lebhafter Wettbewerb zwischen
den beiderseitigen Gruppen stattfünde. Das aber würde — wie nach
dem früher angeführten ohne weiteres klar ist — mit einer ganz auber-
ordentlichen Verschwendung bei der Anlage, der Verwaltung und dem
Betriebe zusammentreffen. Will man diese Verschwendung vermeiden,
legt man also nicht gewissermaben zwei vollständige mit einander in
Wettbewerb tretende Netze an, dann treten auch die erwarteten günstigen
Rückwirkungen beider auf einander nicht ein. Vielmehr könnte dann
nur etwa das gute Beispiel der einen Gruppe in bezug auf Einrichtung
und Ordnung des Betriebs der anderen als Vorbild dienen und zur
Jacheiferung veranlassen. Diese Wirkung würde aber doch verhältnis-
mäbßig teuer erkauft. Denn eine vollkommen wirtschaftliche Einrichtung,
Gliederung und Ordnung der Verwaltung und des Betriebsdienstes würde
auch bei einem beschrünkten Nebeneinander von öffentlicher und gesell-
schaftlicher Verwaltung nicht zu erreichen sein. Uberdies kann man eine
derartige Einwirkung auch haben, ohne die Nachteile des gemischten
Verfahrens auf sich zu nehmen. Denn die guten Vorbilder, die etwa
durch die Verkehrsverwaltungen fremder Länder gegeben werden, bleiben
nirgends unbeachtet.
Sowohl beim vollständigen Genebmigungsverfahren, als auch beim
gemischten Verfahren spielt die Erwerbsgesclischaft eine erhebliche Rolle
im Verkehrswesen. Diese Gesellschaften übernehmen Aufgaben, die für
die Volkswirtschaft von gröhter Bedeutung sind. Aber sie führen des-
halb ihre Verwaltung meht nach gemeinwirtschaftlichen, sondern nach
sonderwirtschaftlichen Gesichtspunkten.
Darin liegt nichts Auffälliges. Eine Aktiengesellschaft wird der
Natur der Sache nach — von einigen Ausnahmefällen abgeschen —
zu Erwerbszwecken errichtei. Sie verfolgt deshalb auch wie jedes Er-
werbsunternehmen nichtöffentlicher Art in erster Reihe die Absicht,
einen möglichst günstigen Reinertrag zu erzielen. Fördert sie dabei
zugleich die öffentliche Wohlfahrt, so wird sie das gewiß mit Genug-
tuung sehen. Findet sie aber, daß ihr Erwerbsstreben in Widerstreit
gerät mit den öffentlichen Rücksichten, so wird sie das erstere verfolgen,
wenn nicht eine stärkere Macht sie daran bindert. Von allen irgendwie
nennenswerten Aktiengesellschaften auf dem Gebiete des Verkehrswesens
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