Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

84 I. Abschnitt. Das Verkehrswesen im allgemeinen. 
ist keine einzige lediglich um der Förderung öffentlicher Wohlfahrt willen 
gegründet, sondern wegen der Aussichten auf günstige Erträge für die 
beteiligten Kapitaleigner. Dab damit sehr viel Gutes für das Verkehrs- 
wesen geschaffen ist, steht fest und ist allgemein anerkannt. Aber 
man darf doch auch nicht übersehen, daß eine Fülle von Eingriffen in 
das Selbstbestimmungsrecht dieser Gesellschaften seitens der öffentlichen 
Gewalt nötig gewesen ist, um eine Gefährdung oder Vernachlässigung 
der öffentlichen Bedürfnisse zu verhüten, und daß trotzdem oft genug 
der widerstreitende Erwerbsdrang den Weg gefunden hat, die An- 
ordnungen der öffentlichen Gewalt mehr oder weniger unwirksam zu 
machen. Solche Aktiengesellschaften sind nicht als Beauftragte der 
öffentlichen Gewalt anzuschen. Wenn die öffentliche Gewalt die Aktien- 
gesellschaften zum Betriebe des Verkehrswesens zuläht, dann verzichtet 
sie einfach auf die Durchführung von Aufgaben, denen sie selbst an 
sich gewachsen und zu denen sie auch mit Rücksicht auf die wirt- 
schaftlichste und vollkommenste Befriedigung des Verkehrsbedürfnisses 
an sich berufen ist. 
Der Beruf der öffentlichen Gewalt zur Ubernahme bestimmter Teile 
des Verkehrswesens beruht nach dem gesagten auf der Erwägung, dabß 
die öffentliche Gewalt das Bedürfnis der Gesamtheit beim Betriebe des 
Verkehrswesens an sich besser wahrzunchmen imstande ist, und nur 
wenn und soweit das der Fall ist, kann der öffentliche Betrieb als 
innerlich gerechtfertigt angeschen werden; dann aber muß er auch an 
sich auf verschiedenen Gebieten des Verkehrswesens als notwendig be- 
zeichnet werden. Wie weit diese Notwendigkeit in die Wirklichkeit 
umzusetzen ist, hängt von den besonderen Verhältnissen jedes Landes 
ab. Aus dem Begriffe des fürstlichen oder staatlichen Hoheitsrechts, 
des „Regals“, der durchaus der wünschenswerten Klarheit und Bestimmt. 
heit entbebrt, wird der bezeichnete Beruf heutzutage nicht mehr ab- 
geleitet. Bei der Post ist der Gedanke eines solchen Hoheitsrechts 
allerdings geschichtlich überkommen, würde aber bei dem großben Ein- 
flusse, den die öffentliche Meinung zur Zeit hat, nicht mebr ausreichen, 
den Staatsbetrieb dauernd zu rechtfertigen, wenn sich dieser nicht aus 
anderen Gründen als den Gesamtbedürfnissen am förderlichsten erwiese. 
Der Beruf der öffentlichen Gewalt ist bei den einzelnen Verkehrs- 
mitteln verschieden, soweit die öffentliche Gewalt sich mit ihnen über- 
haupt unmittelbar befassen will oder mul. Bei den Land-, See- und 
Bmnenwasserwegen wird in der Hauptsache nur die Herstellung und 
Erhaltung des Weges selbst von diesem Berufe berührt. Die Beschaffung 
der Triebkräfte, Triebwagen und Fahrzeuge und deren Betrieb bleibt 
in der Regel der sonderwirtschaftlichen Tätigkeit überlassen, da diese 
Verkehrswege einen freien Wettbewerb auf der Linie nicht nur gestatten, 
sondern auch — von Auswüchsen abgesehen — wünschenswert machen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.